Die Rose von Nischapur (Roman)
Description
Im Jahr 2015 erfüllt sich der junge Engländer David endlich seinen Traum und reist in das Heimatland seines Lieblingsdichters Omar Khayyam, den Iran. Das Land ist seit dem Arabischen Frühling schwer erschüttert – für Reisende aus dem Westen ist höchste Vorsicht geboten.
Doch Davids iranischer Freund Nader und dessen Freundin Nastaran empfangen ihn in Teheran und zeigen ihm die geheimnisvollen Ecken dieser aufregenden und gebeutelten Stadt. Über ihre gemeinsame Leidenschaft für Khayyam entspinnt sich eine Dreiecksbeziehung, die zum Scheitern verurteilt ist. «Die Rose von Nischapur» ist ein ergreifender Roman über Liebe, Eifersucht und Tabubrüche in einem autoritären Staat, über das Spannungsfeld Orient-Okzident und die beeindruckende Wirkungsmacht von Literatur auf der Flucht vor dem eigenen Leben.
Reviews
Reisende im Orient
11 October 2024Zur rezeption der Bücher von amir Hassan Cheheltan gehört häufig, dass sie als tore in die fremde, verschlossene Welt des orients gelesen werden – und als tore in die womöglich noch verschlossenere Welt der persischen Dichtung. Cheheltan, 1956 in teheran geboren und nach stationen in Italien, Deutschland und den Usa seit einigen Jahren wieder dort lebend, lässt immer wieder alte persische Lyriker in seinen romanen auftauchen und mit ihnen gedanken, die in der gegenwart seines Landes nur unter gefahren zu äußern wären. Zuletzt hielten in „Der Zirkel der Literaturliebhaber“ (2020) mit Ferdosi, saadi, rumi und Hafis etliche geschichten einzug, die von Beziehungen zwischen söhnen und müttern und gleichgeschlechtlicher Liebe unter männern erzählten. Das nun erschienene „Die rose von Nischapur“ steht im Bann nur eines Lyrikers: omar khayyam, Universalgelehrter und Dichter im elften Jahrhundert. Das tut es allerdings gründlich.
Denn es ist die Faszination für omar khayyam, die einen jungen engländer namens David nach teheran reisen lässt, wo er von Nader und dessen Verlobter Nastaran empfangen wird. Nader ist ein arrivierter schriftsteller und hat den kontakt zu David gehalten, nachdem er ihm bei einer Lesung in London begegnet war. Nun zeigt er David teheran, eine stadt, die in Cheheltans behutsamen schilderungen wie ein schlafender riese wirkt, eine metropole, die auf der Bremse steht, jederzeit bereit loszubrausen, sobald man sie lässt. Nader und Nastaran führen ein normales Leben. er schreibt, sie illustriert. er möchte nicht heiraten, sie will kinder. ab und an kommen Nastarans mutter und deren Bruder zum abendessen, zu denen der
Bruder stets zwei Flaschen seines selbstgekelterten Weines mitbringt. man ist sich einig in der abneigung gegenüber den mullahs, die man beim tischgespräch kaum eines Wortes würdigt. man hat sich eingerichtet. Häufig drehen sich die konversationen um omar khayyam und sein Lob des Hedonismus, seine auflehnung gegen den göttlichen Willen und sein Beharren auf Vergänglichkeit. Im raum steht dabei letztlich die von Cheheltan bereits in anderen Büchern vertretene these, dass Dichter wie omar khayyam für den genuss, die Liebe und das Diesseits plädierten, weil sie ahnten, dass vom Jenseits nichts Besseres zu erwarten sein dürfte. Das darf man als kritik an den in Iran derzeit vorherrschenden frömmelnd-strengen Interpretationen von religion verstehen.
Dass diese tischgespräche sich stellenweise wie literaturhistorische seminare lesen, ist eine verzeihliche schwäche des Buches. ausgefeilter geschildert ist, was sich auf nonverbaler ebene an diesen tischen tut, denn zwischen dem Paar und David, der nach einem ungeschickten Unfall einige Wochen bei Nader und Nastaran einziehen muss und von beiden fürsorglich umhegt wird, entspinnt sich eine Dreiecksgeschichte, die sich zum ende des Buches hin in einen krimi verwandelt. Cheheltan zeichnet seine drei Figuren als menschen mit geheimnissen, die sie trotz aller Zugewandtheit voreinander verbergen. sein stil ist nüchtern, er evoziert keine stimmungen, sondern beschreibt sie, allerdings auf eine art, die den raum offenhält für allerlei rätsel. In das irdische geschehen eingewebt sind immer wieder träume, die Nader und Nastaran (aber nicht David) nachts heimsuchen, was der erzählung zusätzlich einen märchenhaften Zug verleiht. mehrfach fällt der satz:„er wusste es nicht zu sagen.“ Was genau? andeutungen mehren sich.
Nicht zufällig wird sowohl von omar khayyam als auch von dessen im achtzehnten Jahrhundert lebenden britischen Übersetzer immer wieder erzählt, sie beide hätten homosexuelle Neigungen gehegtein Verlangen, das bei Cheheltan in der Vergangenheit bereits mehrfach zur sprache kam und mit ein grund dafür sein dürfte, dass seine Bücher schon lange nicht mehr in Iran, sondern zuerst in deutscher Übersetzung erscheinen. Die Begegnung mit David weckt in Nader jedenfalls alte, tief verborgene gefühle.
Was sie auf der anderen seite auslöst, steht dahin. Denn David, der durch altpersische Lyrik entflammte Brite, der, sich seines glückes durchaus bewusst, einer Leidenschaft folgend durch teheran flaniert und eine fremde kultur aufsaugt, bleibt der große Unbekannte in dieser geschichte. Bezeichnenderweise dringt Cheheltan so gut wie nie in Davids Innenleben ein. es ist, als bliebe es auch ihm, dem schriftsteller, verborgen. Dabei bedeutet der westliche orientreisende, der gute absichten hegt und ein trümmerfeld hinterlässt, eine neue Figur in Cheheltans repertoire. Und sein kritisches Potential ist hier noch nicht ausgeschöpft.