Teheran Kiosk (Collection Of Essays)
Description
AUS DEM IRANISCHEN HINTERGRUND
Seit 12 Jahren sind die Hintergründe in Iran Thema der Berichte Cheheltans in Feuilletons von FAZ, SZ und anderen Medien.
Sie ergeben ein differenziertes Bild des Landes, seiner Konstanten und seines Wandels hinter der politischen Debatte, die die westliche Berichterstattung beherrscht.
… ICH PLANE EINE IRANREISE UND KANN MIR KEINE BESSERE VORBEREITUNG DENKEN.
Caroline Neubaur (für SWF-Bestenliste)
Inhalt:
• Kein Himmel über Teheran - Nach der Wahl
• Teheran will Trauer tragen - Frauentag Hossein Verband
• Nur die Lüge ist wahr - Falsche Pillen
• Teheran wartet auf das große Beben - Denken der Vergangenheit und westliche Moderne – das Ideal der Ehre
• Die Zeit könnte sich doch uns anpassen - Tiefschlaf im Kulturkonflikt
• Tod eines Straßenschläfers - Iran heute: Die nächste Katastrophe ist immer die größere
• Milde Reformer und harte Militaristen - Zur Wahl
• Tod der Revolution! - Das iranische Dilemma
• Der sanfte Weg des Übertritts in die Moderne - Bedrohung Israels und kulturelles Wagnis
• Der unsichtbare Himmel - Iran kennt keine Zukunft
• Iran unter Artenschutz - Westliche Missverständnisse
• Gott behüte - Irans Blick auf den Westen
• Lesen lehren die Dämonen - Literarische Zensur
• Letzte Station vor der Hölle - Selbstzerstörung u. a.
• Die beerdigte Krise - Irans Bildungssystem zerfällt
• Es wird ein Wunder geben - Iran rekrutiert Himmelskraft
• Das verbotene Wunder Moderne - Kunst in Iran
• Verschämtes Starren auf die Scham - Steinigungen, …
• Warten auf den verborgenen Imam - Übermorgen Wahl in Iran
• Im Land der Blumen und Nachtigallen - Unser Umgang mit der Obrigkeit
• Wir und die Amerikaner - Gerüchte bestimmen die Bewusstseinslage
• Die Gedankenpolizei - In Iran ist sogar das Nachdenken verboten
• Hier spricht Teheran - Iranische Amerikafeindlichkeit
• Es gibt kein Zurück - Lange habe die Mullahs die Jungen und die Frauen eingeschüchtert
• Der Politiker ist unser Feind - Totale Repression
• Gestern, in Teheran - Das Land brodelt
• Meine letzten Tage in Iran - Ein Tagebuch der Protestbewegung 2
• Es geht um Erdöl, dass ich nicht lache - Die Proteste reißen nicht ab
• Von der Differenz zwischen Gott und Teufel - Die Iraner kennen die Zensur
• Die Glaubensdiebe - Viele Iraner fühlen sich zum Christentum hingezogen
• Verbotene Liebesszenen im frommen Reptilienstaat - Urteile gegen Filmemacher Panahi u. a.
• Dunkle Wolken über Teheran - Sorge um die Zukunft in Teheran
• Er wollte nur schreiben - Sattar Beheshti, Blogger
• Teheran vor dem letzten Tag - Ein Tagebuch der Protestbewegung 1
• Die Lüge von der schnellen Feder - Hoffnungen der Autoren und Künstler unter Rohani
• Das Glashaus - Die Medien
• Teheran-Unfinished project = Die Entwicklung Teherans - Städtebau / Die Zukunft Teherans
• Auf der Suche nach der Zukunft - Auf der Suche nach der Zukunft
• Meine Stadt Teheran
By P. Kirchheim
Reviews
An die Zukunft denkt niemand mehr
28 December 2016„In Iran ist sogar Nachdenken verboten“,
schreibt Amir Hassan Cheheltan in einem der zum Glück oft sehr nachdenklichen Essays, die seit 2004 in der Süddeutschen und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erscheinen. Nun liegen sie erstmals gebündelt unter dem Titel „Teheran Kiosk“ vor. Eine Chronik Irans der letzten zwölf Jahre. Die letzten Amtsmonate des gescheiterten Reformpräsidenten Mohammed Chatami, der acht Jahre währende Ahmadinejad-Alptraum, von Verstrickungen internationaler Politik über das Gezerre um das iranische Atomprogramm und die brutale Niederschlagung der „Grünen Welle“ im Jahr 2009 bis heute.
„Teheran Kiosk“ heißt ein Buch, dessen Essays allesamt in Iran selbst nie erscheinen konnten. An Teheraner Kiosken herrscht die harte Hand der staatlichen Zensur, Propagandamedien liegen aus neben wenigen halbwegs unabhängigen Zeitungen und Magazinen, über denen stets das Damoklesschwert des Verbots schwebt. In Zeiten, in denen sich die Türkei in eine ähnliche Richtung bewegt, lohnt es, diese Beiträge zur Zeitgeschichte wieder zu lesen.
Cheheltan, Jahrgang 1956, ist einer der bekanntesten iranischen Gegenwartsautoren. Mehrere seiner Bücher erschienen ungekürzt bislang nur auf Deutsch. Sein Roman „Iranische Dämmerung“ (München 2015) wurde 2007, zwei Jahre nach Erscheinen, vom iranischen Kulturministerium als „Buch des Jahres“ ausgezeichnet. Dasselbe Kulturministerium hatte zuvor zahlreiche Passagen gestrichen. Cheheltan lehnte den Preis ab. Die Antwort der Beamten: Er könne nicht ablehnen, schließlich erhalte nicht der Autor die Auszeichnung, sondern das Buch. Ähnlich erging es Mahmoud Doulatabadi, dessen Roman „Der Colonel“ (Zürich 2009) ebenfalls der Zensur zum Opfer fiel. Die Zensoren sagten damals: Das Buch ist ein Meisterwerk, aber erscheinen darf es nicht. Zumindest mit der ersten Hälfte der Aussage hatten sie Recht. Die Erstausgabe erschien auf Deutsch, die Originalfassung kursiert im Internet und auf den iranischen Schwarzmärkten.
Um Zensur geht es oft in Cheheltans Texten – und um ihre Umgehung. In Iran, sagt er, bekommt man alles, was man will, auch verbotene Bücher. Und das Alkoholverbot lässt Apotheken florieren, denn medizinischer Alkohol ist erlaubt. Die Auflagen offiziell publizierter Bücher und Zeitungen hingegen sind im Keller. Das mag daran liegen, dass Iran das Copyright-Abkommen nicht unterzeichnet hat und daher alles Interessante schnell kopiert wird – aber auch daran, dass ohnehin jeder davon ausgeht, Zensiertes oder Propaganda sei der Lesemühe nicht wert.
Aber es geht nicht immer nur um Politik. Cheheltan gibt auch Einblick in den Alltag der Multimillionenmetropole Teheran, in die kleinen und großen Absurditäten des iranischen Alltags. Aus allem spricht eine beklemmende Resignation. Die Hoffnung, dass sich etwas ernsthaft zum Guten wendet, scheint nach dem erfolglosen Protestsommer 2009 im Zuge der Wahlfälschungen, die Ahmadinejad eine zweite Amtszeit bescherten, verflogen zu sein. Die einen ziehen sich ins Private zurück, die anderen verlassen das Land, und wieder andere versuchen, sich dem System anzupassen. Übrigens auch das allesamt Bewegungen, die man im Ansatz schon in der Türkei erkennt, die von ihrem Präsidenten rasend schnell zur Diktatur umgebaut wird. In Iran war es eine Revolution aus dem Volk heraus, die 1979 das Shah-Regime stürzte. Auf den Straßen kämpften Kommunisten und Islamisten Seite an Seite. Die einen wurden unmittelbar nach dem Umsturz verhaftet, gefoltert, getötet – aber auch von den anderen ist kaum mehr jemand übrig.
Auf die Frage, ob der Atomdeal, die Aufhebung des Embargos, die Öffnung nach außen langfristig zu positiven Entwicklungen führen könnten, geht Cheheltan gar nicht erst ein. In Iran, sagt er, denkt man nicht mehr an die Zukunft.
Zu Amir Hassan Cheheltans Essaysammlung „Teheran Kiosk“
28.12.2016
Hamburg
Von Gerrit Wustmann