Teheran, Apokalypse (Novel)
Description
EIN ROMAN ÜBER DEN HASS IN SECHS EPISODEN
Im Juli 1924 besucht das amerikanische Ehepaar Robert und Katherine Imbrie Teheran, ohne jede Vorkenntnisse, der Mann will Fotos bei einer schiitischen Massenzeremonie machen, außerdem einen Hund retten und kommt bei der anschließenden Rangelei ums Leben. 1953 gelingt es der CIA und dem britischen Geheimdienst, ein subversives Netz unter den Gegnern des demokratisch gewählten persischen Premiers Mossadegh zu knüpfen, und die legitime Regierung wird gestürzt. Es folgen die Schreckensherrschaft des Schahs und anschließend die der Ayatollahs. 1978 kommt ein Großneffe Robert Imbries nach Teheran, um dem gewaltsamen Tod seines Onkels nachzugehen, er hat eine Affäre mit der Iranerin Minâ, beide kommen bei einem Anschlag auf ein Restaurant ums Leben, das Amerikanern als Treffpunkt diente. 1988 wird Resâ, ein Widerstandskämpfer sowohl gegen das Schah-Regime, der ein Attentat auf einen amerikanischen Militärattaché verübt hat, als auch gegen die Herrschaft der Mullahs und der Zwillingsbruder Minâs, bei den Massenhinrichtungen des Regimes getötet. Die Gewalt hält an. In dicht verwobenen und atmosphärisch und spannend geschriebenen Episoden erzählt Amir Hassan Cheheltan aus wechselnden Perspektiven von den Träumen und Traumata eines Landes, das auf einen äußeren Feind und die Rettung von außen fixiert geblieben ist, nachdem es einst seiner historischen Chance beraubt wurde. Einfühlsam und kenntnisreich, zwischen Ironie, Härte und Wehmut schwebend, ist dieser Roman zugleich das Porträt Teherans, einer der Mega-Citys, in denen sich unsere Zukunft entscheiden wird.
By C.H.BECK
Reviews
Die Beweggründe bleiben dunkel
21 November 2016Der iranische Autor Amir Hassan Cheheltan begibt sich in seinem Roman „Amerikaner töten in Teheran“ auf die Spuren des antiamerikanischen Hasses in seiner Heimat
Der 1956 gebürtige Iraner Amir Hassan Cheheltan ist in seiner Heimat ein ebenso erfolgreicher wie beargwöhnter Autor. Während die Leserschaft seine Bücher mag, bekunden die Machthaber damit ihre Mühe. Vor allem die Tatsache, dass er in Persisch und somit für das iranische Publikum schreibt, macht die Sache brisant. Nach Übersetzungen in zahlreiche Sprachen ist 2009 erstmals auch ein Buch von Cheheltan in Deutsch erschienen – als Welt-Erstveröffentlichung. „Teheran Revolutionsstraße“ ist bis heute im Iran verboten. Damit ergeht es ihm schlechter als dem ein Jahr zuvor erschienenen Roman „Amerikaner töten in Teheran“. Der Copyright-Vermerk in der neuen deutschen Übersetzung lässt allerdings tief blicken: „In dieser deutschen Ausgabe erscheint der Roman erstmals ungekürzt und ohne Rücksicht auf die iranische Zensur“.
Wie bloß, fragt man sich erstaunt nach dessen Lektüre, lässt sich dieses Buch kürzen, dass Pasdaran und Mullahs damit zufrieden sein könnten? Cheheltans Roman besteht aus sechs Episoden, die vordergründig kaum miteinander zusammenhängen, die sich aber allmählich und subtil zu einem bewegenden Bild fügen, das Konturen erhält und dennoch rätselhaft bleibt.
Die 1. Episode spielt 1924 vor dem Hintergrund des Ringens zwischen der Sowjetunion und den Westmächten um die Vorherrschaft im alten Persien. Die von Gerüchten angefachte Unrast im Volk entlädt sich am amerikanischen Vizekonsul Robert Imbrie. Wider besseren Rat will er partout muslimische Gläubige bei einem mythischen Schrein fotografieren. Darob geraten die Gemüter in Wallung, die Emotionen kochen hoch und der Amerikaner wird gelyncht.
1953 spielt die zweite. Episode, sie schildert den Sturz der säkularen linken Regierung unter Premier Mossadegh, der zwei Jahre zuvor die Ölindustrie verstaatlicht hat. Imbries Lücke schließt der intrigante Geheimdienstler Kermit Roosevelt, der historisch beglaubigt ist. In mehreren Anläufen und mit Hilfe von Gerüchteküche und dubiosen Elementen gelingt es ihm, das republikanische System zu unterminieren. Cheheltan erzählt diese Vorgänge mit hochauflösender Faktentreue und vergisst dabei auch nicht einen subalternen Offizier zu erwähnen, der sich dem Putsch zu widersetzen versucht. Mag vieles daran die Leser der Übersetzung fremd anmuten, Teheraner Bürger werden die Topografie leicht wiedererkennen.
Zwanzig Jahre später spielt die dritte Episode, unter der rigiden Herrschaft von Schah Reza Pahlevi, welcher die linke wie rechte Opposition allmählich zusetzt. Zur Linken zählt sich auch Resa, ein junger Bursche, der demnächst ein Attentat auf einen amerikanischen Militärberater verüben wird, doch zuvor in einem Bordell seine Jungfräulichkeit verlieren möchte. Im Unterschied zur politischen Brisanz der ersten beiden erzählt diese dritte Episode mit zärtlicher Zurückhaltung, wie Resa dabei an seine Schwester sowie an die Mutter denkt, die sein Engagement im Herzen teilt. Am Ende gelingt der Anschlag.
Darauf folgt die vierte Episode von 1978, die erstmals einen Berührungspunkt zum Vorangegangenen setzt. George Imbrie, der Großneffe des ermordeten Robert Imbrie, landet in Teheran, weil er herausfinden will, weshalb hier Amerikaner getötet werden. In der Hotelbar erklärt ihm ein „Professor“, wie der Iran zwischen Realität und Mythos schwankt, mal zur Vernunft, mal zum Irrationalismus neigend. Hier lernt er auch die hübsche Fremdenführerin Mina kennen, der er von seinem Großonkel erzählt, sie ihrerseits erwähnt ihm gegenüber ihren verschollenen, inhaftierten Bruder. Cheheltan zeigt den Iran im Zwiespalt zwischen Moderne und Mythos anhand kleiner Anekdoten und Geschichten, die er zuweilen nicht näher erläutert und somit schwebend unaufgelöst lässt. Schließlich besuchen Mina und George ein beliebtes Lokal in der Stadt – das von einem schweren Bombenattentat erschüttert wird. Beide kommen dabei um.
Ein halbes Jahr später, in der fünften Episode anfangs 1979, treffen wir Resa wieder. Der Schah ist geflohen, die Rückkehr Chomeinis steht unmittelbar bevor. Resa ist aus dem Gefängnis entlassen worden, unter der Folter ist er zerbrochen und hat Genossen verraten. Es gibt weiterhin Unruhen: „Amerikaner zu töten steht also noch immer auf der Tagesordnung.“ Im Hause trauert die Mutter: über den gedemütigten Sohn, über die ermordete Tochter, über den vor Jahren verlorenen Vater. Sie erinnert sich, wie er 1953 als subalterner Offizier ein Opfer des Mossadegh-Putsches wurde.
Und allmählich werden die Fäden sichtbar, die Cheheltan bis hierhin ausgelegt hat. Der Vater ist jener junge Offizier von 1953, die Tochter ist Mina, und Resa ihr Bruder. Die Geschichte Irans geht quer durch diese Familie. Einfühlsam und bewegend schiebt Cheheltan seine Protagonisten ins Licht seiner Erzählung.
Auf dieser Linie fügt er eine sechste Episode an, vom Sommer 1988, nach dem ersten Golfkrieg. Nach sechs Jahren Haft ist Resa abermals aus dem Gefängnis zurückgekehrt zu seiner Mutter, die nicht mehr von dieser Welt ist. Der närrische Putzfimmel, mit dem er die Haft überstanden hat, hilft ihm nun, Mutter und Wohnung sauber zu halten. Die beiden geben ein erbärmliches, rührendes Bild ab – bis neuerlich die Polizei auftaucht, um Resa abzuholen, nur kurz – für immer. Was als hoch auflösendes historisches Tableau beginnt, endet als bewegende Miniatur, die von Hass und Gewalt und ihren kleinen Opfern erzählt. Resa und Mina sind unglückliche Spielbälle von irrationalen Ressentiments und politischen Ränkespielen – so ungleich ihre Lebenswege auch waren. Ihre Tragik besteht darin, wie Resa im Bordell zu sich selbst spricht, dass er leben möchte wie alle anderen: „Nur wenn man lebt, lernt man das Leben zu schätzen.“ Ein schönes Motto der Vergeblichkeit.
Mögen die historischen Passagen in den Episoden zwei und vier etwas langatmig und allzu detailverliebt geraten sein, am Schluss verfehlt dieses Buch seine Wirkung nicht. Der Autor begleitet seine Erzählung mit sensibler Anteilnahme und mit kritischer Distanz. Ohne eine Antwort zu geben, fragt er gegen Ende, ob das alles miteinander zu tun habe. Ja, so ist es, kann die Antwort am Ende nur heißen. Amir Hassan Cheheltan legt mit „Amerikaner töten in Teheran“ ein hochpolitisches, rätselhaftes, tief trauriges und vor allem faszinierend irrtierendes Buch vor, das nicht für ein westliches Verständnis voreilig geglättet wurde.
نگاه اشتفان وایدنر به کتاب «آمریکایی کشی در تهران»
01 June 2012شرق: «آمریکایی کشی در تهران»، رمانی است اپیزودیک از «امیرحسن چهل تن» که به زبان آلمانی ترجمه و منتشر شده است. این رمان شامل شش اپیزود است و به گفته چهل تن، در کنار رمان های «تهران شهر بی آسمان» و «تهران، خیابان انقلاب»، بخشی از سه گانه تهران این نویسنده معاصر را تشکیل می دهد. آنچه در پی می آید خلاصه ای است از آنچه «اشتفان وایدنر»، منتقد آلمانی - درباره این کتاب نوشته است. وقایع این کتاب همان طور که در نوشته وایدنر نیز آمده در چند دوره از تاریخ معاصر ایران، اتفاق می افتد. اشتفان وایدنر، شرق شناس است و به ایران نیز سفر کرده و مدیریت مجله ای به نام «فکر و فن» را که توسط «انستیتو گوته» منتشر می شود برعهده دارد. این مجله به زبان فارسی نیز منتشر می شود. نوشته او درباره آمریکایی کشی در تهران در روزنامه «فرانکفورتر آلگماینه» چاپ شده و خلاصه ای از آن را «محمود حسینی زاد» به فارسی ترجمه کرده است.
وایدنر درباره «آمریکایی کشی در تهران» امیرحسن چهل تن در روزنامه فرانکفورتر آلگماینه می نویسد: این کتاب در ادبیات خارج از کشور ایرانی ها، کتاب مهمی است، مستندی ادبی در مورد نفرت آمریکایی – ایرانی.
وایدنر می پرسد آیا این کتاب را می توان رمان نامید؟ و پاسخ می دهد که این کتاب پررمز و راز چهل تن، به طور عمده یک «دوکو فیکشن» است، یک مستند ادبی. وایدنر توضیح می دهد که کتاب هفت اپیزود دارد که تقریبا تمام قرن بیستم را در بر می گیرد. در اپیزود اول انتقال معاون کنسول آمریکا در استانبول به ایران شرح داده می شود و اینکه در آن زمان انگلیس دشمن اصلی قلمداد می شد و آمریکایی ها هنوز محبوبیتی داشتند. سپس قتل این کنسول هنگام عکسبرداری از سقاخانه ای که بیشتر به تصادف شباهت داشت. اما در کتاب موتورسواری مرموز هم هست که بارها ظاهر می شود. پس آن قتل اتفاقی نبوده؟ وایدنر می نویسد این اپیزود و اپیزود های بعدی همه حالت اسرار آمیز خود را حفظ می کنند.
موضوع اپیزود دوم مربوط به حوادث ۱۳۳۲ است. «سیا» از ایران کمونیستی می ترسد، کودتایی ترتیب می دهد و «مصدق» می رود و «شاه» برمی گردد. حالاآمریکایی ها هستند که می کشند.
به نظر اشتفان وایدنر این اپیزود حدودا ۴۰صفحه ای در ادبیات ایران جای خاصی دارد، چون در این اپیزود نظر رایج در مورد این کودتا طور دیگری بیان می شود. البته که سیا نقش دارد، اما این ایرانی ها بودند که مصدق را برانداختند. در کتاب مصدق و هوادارانش آدم های ضعیفی نشان داده می شوند که حتی هواپیمای شاه را ساقط نمی کنند و کودتا را مثل سرنوشت می پذیرند.
وایدنر معتقد است با توجه به ادبیات ایران و به خصوص ادبیات خارج از کشور، این بخش به یک شگفتی شباهت دارد. کشتن آمریکایی ها در دهه ۷۰ میلادی به اوج می رسد؛ چون حمله به آمریکایی ها در واقع حمله به شاه تلقی می شد.
وایدنر معتقد است که نویسنده با این کتاب آینه ای برابر هموطنانش می گیرد.
وایدنر در پایان نقد خودش آورده که خواننده ناآگاه غربی و همچنین دومترجم این کتاب مثل فیلی در مغازه چینی فروشی بوده و دوست داشتند تا خیلی از جاهای کتاب توضیح بیشتری داشت. وایدنر اضافه می کند چهل تن آگاهانه این روش را انتخاب کرده و بین کتاب های ادبیات فارسی که آلمانی ها به آن دسترسی دارند، این کتاب، کتابی مستند و اصیل است.
Iraner lieben die USA
23 May 2012Die Iraner neigen dazu, das Gegenteil ihrer Regierung zu tun, sagt der Schriftsteller Amir Cheheltan. Er erklärt, warum Sanktionen nur den Menschen schaden und wie er Auto fährt.
taz: Herr Cheheltan, Sie sind in Teheran geboren, Sie leben dort, und fast alle Ihre Romane spielen in dieser Stadt, die Sie gnadenlos als stinkenden Moloch beschreiben. Ist das Ihr Psychogramm für Iran?
Amir Cheheltan: Irgendwie schon. Teheran ist nicht nur die Hauptstadt des Iran, eigentlich ist Teheran alles für die Iraner. Dabei ist die Stadt jung, sie repräsentiert nicht das traditionsreiche Persien wie Isfahan oder Tabris. In den letzten fünfzig Jahren ist die Stadt extrem schnell gewachsen, was bedeutet, dass so gut wie keine Teheraner in Teheran leben. Teheran, mit seinen 15 Millionen heute, ist eine Stadt der Zugereisten. Die meisten sind Fremde hier, sie fühlen sich weder für die Kapitale noch für die Menschen in ihr verantwortlich. In dem Sinne ist Teheran vielleicht ein Psychogramm für Iran. Gleichzeitig sind alle Möglichkeiten dieses Landes in dieser Stadt konzentriert: das politische Leben, das ökonomische, das kulturelle – alles findet in Teheran statt.
Und doch ist die Stadt für Sie eine Wunde.
Ja, eine Wunde, die nicht zu heilen ist. Auch wenn sie sich ab und zu mal erholt, am Ende breitet sie sich weiter aus. Teheran leidet, und die Fäulnis nimmt zu.
Was hält Sie dort?
Die Energie. Alle Probleme sind eingebettet in eine ungeheure Energie. Es ist die Energie der Jugend, die hier lebt. Zwei Drittel der Iraner sind unter dreißig Jahre alt. Manchmal ist diese Dynamik auch beängstigend. Sie hat keinen Platz, um frei zu sein. Sie staut sich und kann leicht explodieren. Mich aber inspiriert sie. Viele europäische Kollegen beneiden mich um diese anregenden Umstände, dann sage ich immer: Ich gebe sie euch, und ihr gebt mir für eine Sekunde den Frieden in euren Köpfen, den euch eure Länder erlauben.
Ende der 90er waren Sie für zwei Jahre im Exil, in Italien.
Ja, das war eine schlimme Zeit. Zwei Kollegen von mir wurden in Teheran gekidnappt und ihre Leichen auf die Straße geschmissen. Ich selbst stand auch ein paar Mal auf einer Liste von unerwünschten Schriftstellern.
Experten halten es für wahrscheinlich, dass Israel gegen Iran noch dieses Jahr vorgehen wird. Ist die sich zuspitzende Kriegsgefahr in Teheran Stadtgespräch?
Nein. Obwohl ich auch denke, dass die Gefahr sehr ernst zu nehmen ist. Aber dass wir vom „Westen“ bedroht werden, ist eine Rhetorik, die wir im Iran seit 33 Jahren kennen. Das regt hier niemanden mehr auf.
Iraner machen sich derzeit also nicht mehr Sorgen als sonst auch?
Nicht wirklich. Wir sind so mit unseren internen Problemen beschäftigt. In den letzten drei, vier Monaten sind die Inflation und die Erwerbslosigkeit rapide emporgeschnellt. Die Preise haben sich aufgrund der Sanktionen verdoppelt. Die Leute haben ihre Situation ohnehin schon so satt. Sie können jetzt nicht auch noch über einen kommenden Krieg nachdenken.
Wie sieht es bei Intellektuellen und KünstlerInnen aus?
Die kommende Konfrontation steht auch nicht auf der Agenda der Intellektuellen. Niemand kann 24 Stunden pro Tag in Angst leben. Aber die, die die Nachrichten lesen – und ich gehöre dazu –, wissen, dass es noch nie so ernst war wie dieses Mal. Auch ich versuche zu vergessen, dass wir unmittelbar vor einem Krieg stehen. Aber ich wache oft mitten in der Nacht auf, so als ob ich zu viel Kaffee getrunken hätte.
Sehen Sie einen Ausweg?
Wenn Israel Iran angreift, wird der Nahe Osten danach nicht mehr derselbe sein. Historisch gesehen, waren die Iraner nie gegen die Juden. Radio Israel beispielsweise war bis vor zehn Jahren der beliebteste Sender in Iran. Jetzt gibt es mit den Satelliten und Internet mehr Auswahl, deswegen hat er an Popularität verloren. Aber wenn Netanjahu jetzt angreift, dann vergibt sich Israel eine große Chance auf Verständigung, die letzte.
Seit einigen Monaten gibt es eine große Facebook-Kampagne, die anfangs von jungen Israelis ausging: „Iranians, we love you“, und die Antwort kam prompt: „Iran loves Israel“. Welche Chance räumen Sie dieser digitalen Diplomatie ein?
Keine große. Obwohl so viele mitgemacht haben …
… Wir liked it auch …
Hoffen wir, dass es wirkt.
Eröffnen die Friktionen innerhalb der iranischen Elite die Möglichkeit, den Konfrontationskurs von Ahmadinedschad zu kritisieren?
Etwas Luft gibt es dadurch, ja. Aber vergessen Sie nicht, Iran war nie ein so totalitärer Staat wie Nordkorea oder Irak. Die Opposition war immer hörbar, auch das hält das Land lebendig.
In Ihrem 2011 auf Deutsch erschienenen Roman „Amerikaner töten in Teheran“ zitieren Sie den von der CIA weggeputschten Premierminister Mohammed Mossadegh: „Regieren um jeden Preis“ sei ihm nicht möglich. Beschreibt das Ihre Moral?
Es ist auch die Sicht von Mossadegh selbst. Er fürchtete sich vor einem Blutbad und hat daher seine Niederlage hingenommen, ohne noch einmal zu den Waffen zu rufen. Aber in Iran akzeptiert man bis heute nicht, dass ein absolutes Festhalten an der Macht moralisch unhaltbar ist.
Die Protagonisten in Ihren Romanen, egal ob sie Opfer der Machthaber sind, Mitläufer oder Profiteure, alle sind beschädigt und kompromittiert.
Wegen der vielen Katastrophen in den letzten hundert Jahren sind die Leute nicht so normal, wie sie sein könnten oder sollten. Die Spannung, die Anspannung kocht unter der Oberfläche dieser Stadt.
Ist der Verkehr deswegen so irre aggressiv?
Ja, er gibt einen Hinweis auf die Anspannung, ist ein Zeichen dafür, dass etwas falsch ist.
Und wie fahren Sie?
Wenn ich aus dem Ausland komme, versuche ich die ersten drei Tage ein guter Autofahrer zu sein. Dann habe ich keine Wahl mehr. Dann fahre ich wie alle anderen auch.
Ist dieses radikale Autofahren vielleicht eine Forderung nach Freiheit? Einmal schnell vorankommen. Wo ansonsten jede Bewegung im öffentlichen Raum restringiert wird?
Einverstanden. Wenn man endlich einen gewissen Raum kontrollieren kann, dann neigt man zur Übertreibung.
Iran ist eine extrem junge Gesellschaft. Ihre Romane aber gehen immer zurück in die Geschichte des 20. Jahrhunderts, wie die CIA den Schah 1953 an die Macht geputscht haben, wie die iranische Republik entstand, wie es ab da weiterging. Wollen Sie den jungen Leuten ihre Geschichte erzählen, damit sie nicht verloren geht?
Zunächst einmal will ich verstehen, was eigentlich passiert ist. Ich hab keine Antworten oder Lösungen, aber ich versuche ein größeres Bild zu entwerfen – um den Fehler darin zu erkennen. Warum sind wir, wie wir sind? Warum diese ganzen irrationalen Entscheidungen? Warum neigen wir dazu, uns am Ende unseren Gefühlen zu überantworten? Ich verstehe das nicht, also grabe ich in der Geschichte. Zudem tendieren alle unsere Regierungen dazu, eine bestimmte Geschichte des Iran zu erzählen. Ich suche nach Ergänzungen, Alternativen. Und wenn die Jugend damit etwas anfangen kann, freut mich das.
Der Romantitel „Amerikaner töten in Teheran“ scheint eindeutig. Was interessiert Sie an der antiwestlichen Haltung im Iran?
Der Titel meint beides: Amerikaner töten in Teheran, und lasst uns Amerikaner töten in Teheran. Es geht um dieses Wechselspiel. Iraner lieben den Westen, die USA – gleichzeitig hat der Putsch der Amerikaner 1953 in Teheran die iranische Seele verletzt, besser gesagt: infiziert. Sie ist krank seitdem. Trotzdem sprechen viele Teheraner liebend gern Englisch mit amerikanischem Akzent …
… und sehen aus wie hippe Amerikaner, zumal die jungen Männer. Die meisten Schilder sind zweisprachig, jedes einzelne Absperrband in Teheran warnt in Farsi und Englisch vor Gefahren …
Trotzdem wird der Westen gern für viele politische Probleme verantwortlich gemacht. Gleichzeitig neigen die Iraner dazu, das Gegenteil von ihrer Regierung zu tun. Gab sich der Schah amerikanisch, suchte man die Abgrenzung in der persischen Kultur. Verbrennt die Regierung amerikanische Flaggen, suchen die Leute nach Dingen in der amerikanischen Kultur, die sie mögen.
Nachdem die Demokratiebewegung 2009 niedergeschlagen wurde, hieß es: „Das Feuer ist aus, aber unter der Asche glüht es.“ Wie sieht es heute aus?
Es stimmt bis heute. Frustrationen kann man überwinden, aber nicht den Wunsch nach Freiheit.
Wie könnten andere Länder diesen Freiheitswunsch unterstützen – jenseits von Sanktionen?
Ja, die schaden nur den Menschen, nicht der Regierung. Die europäische Herangehensweise scheint mir komplett falsch zu sein. Während des Iran/Irak-Krieges haben sie Waffen an beide Seiten verkauft, heute verkauft Europa Waffen an Israel, darauf hat Günter Grass zu Recht hingewiesen. Diese Haltung schafft viel Enttäuschung. Die vielleicht größte Bitte der Iraner ist: Haltet euch fern von der Region. Denn das erste Opfer bei einer Konfliktlösung durch den Westen sind die Menschenrechte. Je näher ihr kommt, desto gefährlicher wird es für uns.
Diesen Sommer wird der letzte Band Ihrer Teheran-Trilogie auf Deutsch erscheinen: „Teheran, Stadt ohne Himmel“. Können Sie uns den Titel erklären?
Natürlich nicht. Aber vielleicht so viel: Manchmal denke ich, die Kräfte, die unser Schicksal leiten und formen, haben diese Stadt einfach übersehen: kein Himmel für Teheran.
Kriminelle Symbiose
23 May 2012Der iranische Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan will in seinen Romanen auf ein fatales Muster der iranischen Zeitgeschichte aufmerksam machen: Immer wieder bedienen sich die Machthaber der Schläger- und Mörderbanden aus der Unterwelt, um rücksichtslos ihre Ziele durchzusetzen. Von Stefan Buchen
"Veränderung liegt in der Luft", sagt Amir Hassan Cheheltan. "Jetzt im Frühling kann man sich das gut vorstellen. Eine Wolke zieht auf, aus der ein Schauer prasseln oder ein Gewitter donnern könnte." Der Schriftsteller deutet auf den Berliner Frühlingshimmel, aber er meint das politische Klima in seiner Heimat Iran. Die Spannungen seien mit Händen zu greifen, die Zerwürfnisse zwischen verfeindeten Lagern innerhalb des Regimes hätten eine ungekannte Schärfe und Tiefe erreicht.
Cheheltan, 56, ist zu einem Kurzbesuch in Berlin, wo er seinen auf Deutsch erschienenen Roman "Amerikaner töten in Teheran" vorgestellt hat. Seine Worte lassen aufhorchen. Denn der Schriftsteller ist nicht zu vergleichen mit den notorischen iranischen Exiloppositionellen, die seit 33 Jahren "den inneren Zerfall" und "den nahen Zusammenbruch der Islamischen Republik" verkünden.
Cheheltan ist ein stiller Beobachter ohne politische Zugehörigkeit, dessen Erzählungen und Psychogramme sich vor der Kulisse der iranischen Geschichte des 20. Jahrhunderts und bis in die Gegenwart entfalten. Weil ihm historische Authentizität wichtig ist, hat er die Polit- und Gesellschaftsgeschichte seines Landes akribisch studiert, in Dokumenten und als Zeitzeuge.
Worin die zu erwartenden Veränderungen genau bestehen werden, kann und will Cheheltan nicht sagen. Aber er will andeuten, dass das politische Kräftemessen zwischen Präsident Ahmadinedschad und Revolutionsführer Khamenei und ihren jeweiligen Gefolgschaften eine Qualität erreicht hat, die es trotz der durchaus konfliktreichen Geschichte des Regierungssystems bislang nicht gab. Und dass sich da folgerichtig etwas entladen muss.
Rückkehr ins Ungewisse
Er ist im Winter nach Teheran zurückgekehrt, nach zweieinhalb Jahren in Deutschland und den USA. Seine Heimkehr hatte er hinausgezögert, denn er fürchtete, dass die Behörden ihn schlecht behandeln würden. "Probleme gab es keine", sagt er jetzt in ruhiger Zurückhaltung. "Nur ein Beamter des Kulturministeriums rief mich zu Hause an und sagte, dass die Druckgenehmigung für meine früheren Romane nicht mehr gelte. Da wusste ich, dass es sinnlos ist, für meine neuen Bücher überhaupt eine Druckerlaubnis zu beantragen. Ich bekäme sowieso keine."
Mit den "neuen Büchern" ist eine Romantrilogie gemeint – "Teheran, Revolutionsstraße", "Amerikaner töten in Teheran" und "Teheran, Stadt ohne Himmel", die ein bemerkenswertes Kapitel der persisch-deutschen Literaturgeschichte schreibt.
Im persischen Original existieren diese Romane wegen der Zensur in der Islamischen Republik seit Jahren nur auf Cheheltans Computerfestplatte und als Ausdruck in seiner Schublade. In der deutschen Übersetzung haben die ersten beiden das Licht der Welt erblickt und vom Feuilleton die Einstufung "Weltliteratur" erhalten, der dritte wird noch dieses Jahr folgen.
Klar könnte Cheheltan zwischen Los Angeles, Stockholm und Berlin einen persischen Verlag im Exil finden, der die Originale druckt. Aber das widerspräche seinem Lebensentwurf. Er würde das Regime offen herausfordern, weil er die Entscheidungshoheit der Zensurbehörde umginge. Und, was noch mehr zählt: er würde es dem Regime einfach machen, ihn als Verräter zu brandmarken.
Der Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan gehört, wie der Ausnahmesänger der klassischen persischen Musik Mohammad Reza Schadscharian und der Filmemacher Mohammad Rasoulof zu einer Kategorie international bekannter iranischer Künstler, die ihrem Land auf keinen Fall den Rücken kehren, die sich von den Machthabern nicht hinausdrängen oder –ekeln lassen wollen.
Sie sind keine trotzigen Kinder, die nur deshalb im Iran bleiben, weil es dem Regime am liebsten wäre, sie gingen für immer. Sie haben die Überzeugung verinnerlicht, dass sie die Inspiration der Heimat brauchen, um Kunst schaffen zu können und dass sie eine Botschaft für die Gesellschaft haben, deren Teil sie sein wollen. "Der Mensch lebt am liebsten in seinem Land", sagt Cheheltan – und es klingt nicht banal.
Verstrickt in die eigene Geschichte
In seiner Trilogie zeigt Cheheltan, wie tief die iranische Nation sich seit fünf Generationen in ihre Geschichte verstrickt hat, wie die Abfolge von diktatorischen Regimes, der immer wieder aufflammende Kampf dagegen und die Selbstbehauptung gegen den Griff der Großmächte, vor allem der USA, den einzelnen geprägt hat, wie moralische Maßstäbe und rationales Urteilsvermögen verloren gegangen sind.
Die Machthaber der Islamischen Republik kommen in der Trilogie nicht vor, sondern Gefängniswärter, Polizisten, kleine Angestellte. "Die Gesellschaft" ist diesem Apparat ausgeliefert, einerseits. Andererseits rekrutiert sich der Apparat genau aus dieser Gesellschaft. Diese Wechselwirkung scheint bei Cheheltan immer wieder auf.
Intensiv, fast obsessiv befasst sich der Autor in der Trilogie mit Gestalten der Halb- und Unterwelt. Er steigt in die Seelen dieser Halunken- und Verbrecherfiguren – "lat" nennt er sie auf persisch – hinab und kehrt sie in all ihren Facetten nach außen.
Eine gewisse Komik kommt auf, wenn man sich überlegt, dass das Psychogramm des Gefängniswärters, der seine unerreichbare Geliebte hinter Gitter bringt, weil er sonst keinen Zugriff auf sie hätte, der Phantasie dieses zurückhaltenden Bürgers der Teheraner Mittelschicht entsprungen ist.
Aber Cheheltan will auf ein in seinen Augen wichtiges, fatales Muster der iranischen Zeitgeschichte aufmerksam machen: Immer wieder bedienen sich die Machthaber der Schläger- und Mörderbanden aus der Unterwelt und spannen sie ein, um rücksichtslos ihre politischen Ziele durchzusetzen. Der Wärter im Evin-Gefängnis hat diesen kriminellen Hintergrund ebenso wie der organisierte Mob, der im Auftrag einiger Schah-treuer Generäle und der CIA im Jahre 1953 Premierminister Mosaddegh aus dem Amt putscht.
Das alles kommt in der Trilogie vor. Wenn Cheheltan dann weiter erzählt über gedungene Mörder, die während der "konstitutionellen Revolution" (enghelab-e mashruteh) Anfang des 20. Jahrhunderts mitten in Teheran mit Messern Männer abschlachteten, weil diese Anzug und Krawatte trugen und dadurch angeblich als Anhänger des politischen Wandels weg von der absoluten Monarchie erkennbar waren, spürt man, dass er noch mehr Romane schreiben wird.
Reformen in Verruf
Die Geschichten der Trilogie sind Fiktion. Aber wer wissen will, was wirklich in der Islamischen Republik los ist, kann sich kaum ein genaueres Bild machen als bei dieser Lektüre. Insofern hat Cheheltan für die Entlarvung des Regimes eine ähnliche Bedeutung wie Alaa al-Aswani für das Ägypten Mubaraks und Yasmina Khadra für das von Militärdiktatur und Bürgerkrieg geschundene Algerien der neunziger Jahre.
Es fällt auf, dass Cheheltan an der Geschichte seines Landes leidet, weil einfach zu viel Gewalt geschehen ist. Er reibt sich auf an dem unlösbaren und hierzulande nicht unbekannten Paradox, dass diese Gewalt sich aus einer im Grunde zivilisierten Nation entfesselt.
Wohl deshalb ist er gegen eine neue Revolution, die in seinen Augen nur eine neue Gewaltorgie heraufbeschwören würde. Cheheltan hält eine solche gewaltsame Erhebung gegen das Regime auch für unwahrscheinlich, weil die Mehrheit die Folgen fürchte. "Einen militärischen Angriff von außen lehnen die Leute ebenso ab", fügt er hinzu. "Insofern bleibt nur ein Weg: Reformen."
Wie schlecht die Aussichten auf friedlichen Wandel sind, weiß Cheheltan allerdings auch, ist die iranische Reformbewegung mit ihrer Linie der allmählichen gesellschaftlichen Öffnung doch vor drei Jahren gescheitert, als die friedlichen Massenproteste gegen die Wiederwahl Ahmadinedschads brutal niedergeschlagen wurden. Bei vielen Gegnern des Regimes ist deshalb der Begriff "Reform" in Verruf geraten. "Die Anführer der Reformbewegung haben enttäuscht", relativiert Cheheltan. "Aber die Idee der Reform hat immer noch viele Anhänger."
Ende Mai beendet der Schriftsteller seine Lesereise durch Deutschland und kehrt in den Iran zurück. Wir dürfen gespannt sein, welches Szenario der Veränderung sich entfalten wird.
Stefan Buchen
© Qantara.de 2012
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de
The Loyal Dissident
23 May 2012Amir Hassan Cheheltan is one of a group of internationally known Iranian artists who have no intention of turning their backs on their country, and who will not allow themselves to be sidelined or frozen out by the regime. Stefan Buchen met him in Berlin.
"Change is in the air," says Amir Hassan Cheheltan. "Now, in spring, it's easy to imagine. A cloud appears and at any moment, the rain could come pelting down or there could be a storm." The writer is pointing to the spring sky over Berlin, but he's talking about the political climate in his homeland Iran. The tensions are tangible, the discord between enemy factions within the regime more profound and acrimonious than ever before.
56-year-old Cheheltan is on a short visit to Berlin to promote his novel "Amerikaner töten in Teheran" (Killing Americans in Tehran) just published in German. His words make you sit up and take notice.
This writer cannot be compared with those notorious members of the Iranian exiled opposition, who have been proclaiming the "internal disintegration" and "the imminent collapse of the Islamic Republic" for 33 years.
Cheheltan is a quiet observer without political affiliation, whose stories and psychograms unfold against a backdrop of Iranian 20th century history through to the present. Because historic authenticity is important to him, he has carried out meticulous study of the social and political history of his nation, referring to documents and as a contemporary witness.
Return to uncertainty
Cheheltan cannot and will not say exactly what form the expected changes will take. But he wants to suggest that the political wrangling between President Ahmadinejad and Supreme Leader Ali Khamenei and their followers has reached an intensity not yet seen to date, even in view of the conflict-ridden history of Iran's governmental system. And that consequently some of this pressure must be vented at some point.
He went back to Tehran last winter, after two-and-a-half years in Germany and the US. He delayed his return because of fears that the authorities would mistreat him. "There were no problems," he says now, with calm restraint. "A culture ministry official called me at home and said that the printing licence for my earlier novels was no longer valid. Then I knew that it would be pointless to apply for a permit to publish my new books. There's no way I would get one."
When he says "new books", he is referring to a trilogy – " Tehran, Revolution Street", "Killing Americans in Tehran" and "Teheran, City without a Sky").
Owing to censorship in the Iranian republic, for years these novels have existed in their original Persian form only on Cheheltan's hard drive, and in printed form in the drawer of his desk. The first two were revealed to the world for the first time in German translation and have since been hailed by critics as "world literature", the third is due to be published in German this year.
Exile is not an option
For sure, Cheheltan would not have to search hard for a Persian publishing house in exile in Los Angeles, Stockholm or Berlin that would publish the originals. But that would contradict his life goals. If he did this, he would be openly challenging the regime by sidestepping the decision-making authority of the censors. And, even more importantly, he would make it easy for the regime to brand him a traitor.
Like the exceptional performer of Persian classical music Mohammad-Reza Shajarian and the filmmaker Mohammad Rasoulof, the writer Amir Hassan Cheheltan is one of a group of internationally known Iranian artists who have no intention of turning their backs on their country, and who will not allow themselves to be sidelined or frozen out by the regime. They are not petulant children who are only staying in Iran because the regime would rather they disappeared forever.
They have internalised the belief that they need the inspiration of the homeland to be able to create art, and that they have a message for the society of which they want to be a part. "Man prefers to live in his own country," says Cheheltan – and it doesn't sound banal.
The souls of scoundrels and criminals
In his trilogy Cheheltan shows how deeply the Iranian nation has become entangled in its history for five generations, how the individual has been affected by the succession of dictatorial regimes and the intermittent flaring-up against those rulers, and by the self-assertion against the grip of the super powers, primarily that of the US. He also shows how moral standards and the ability to make rational judgements have been lost.
The rulers of the Islamic Republic do not appear in the trilogy, but instead the novels feature prison guards, police officers and low-level employees. "Society" is at the mercy of this apparatus. But on the other hand, the apparatus recruits from this society. This interplay repeatedly appears in Cheheltan's work.
In his trilogy, the author engages intensively, almost obsessively with figures of the demimonde and the underworld. He climbs down into the souls of these scoundrels and criminals – he calls them "lat" in Persian – and turns them inside out, exposing all their facets.
It is the source of some amusement to consider that the psychogram of the prison warder, who puts his unattainable lover behind bars because he would otherwise have no access to her, is the product of the fantasy of this reticent member of the Tehran middle class.
Crime and politics
It is Cheheltan's aim to draw attention to what he believes is a significant, fatal pattern in Iranian contemporary history: Rulers repeatedly make use of the murderers and thugs from the underworld and harness them in order to ruthlessly push through their political goals. The warden at Evin Prison has such a criminal background, just like the organised mob that pushed Prime Minister Mosaddegh out of office on behalf of several generals loyal to the Shah and the CIA in the year 1953. This all appears in the trilogy.
When Cheheltan then continues to talk about hired killers who, during the "constitutional revolution" (enghelab-e mashruteh) in the early 20th century, killed men with knives on the streets of Tehran because they were wearing suits and ties, and therefore apparently identifiable as supporters of political change moving away from the absolute monarchy, one senses that he will write more novels.
The stories in the trilogy are fiction. But for anyone wanting to know what is really happening in the Islamic Republic, a highly accurate picture can be gained from reading this work. In this respect, when it comes to unmasking the regime, Cheheltan serves a similarly significant function to that of Alaa al-Aswani for the Egypt of Mubarak and Yasmina Khadra for the Algeria of the 1990s, devastated by military dictatorship and civil war.
Only one path remains
It is evident that Cheheltan is so troubled by the history of his country quite simply because it has been marked by too much violence. He wrestles with the intractable paradox not unfamiliar to this country, that this violence is unleashed by what is essentially a civilised nation. This is probably why he is against a new revolution, which would in his view only provoke a new orgy of violence.
Cheheltan also thinks it unlikely that such a violent uprising against the regime will come to pass, because the majority fear the consequences. "People also reject a military attack from outside," he adds. "In this respect, only one path remains: that of reform ("eslahat").
Cheheltan is also very aware just how bad the prospects for peaceful change are, in view of what happened three years ago when the Iranian reform movement with its efforts to promote gradual social opening failed as peaceful mass protests against the re-election of Ahmadinejad were brutally crushed. This is why for many opponents of the regime, the concept of "eslahat" has fallen into disrepute.
"People have been disappointed by the leaders of the reform movement," Cheheltan reflects. "But the idea of reform still has many supporters."
The writer ends his reading tour of Germany at the end of May, when he is due to return to Iran. We can only watch and wait to see what kind of change might possibly unfold in Iran in the near future.
Stefan Buchen
© Qantara.de 2012
Translated from the German by Nina Coon
Qantara.de editor: Lewis Gropp
Killing Americans in Tehran
10 May 2012As was the hatred in Western Iran
The novelist Amir Hassan Cheheltan the DIWAN
On 13 May 2012 put Amir Hassan Cheheltan in Cologne literature house his latest novel “kill Americans in Tehran” before. An irritating title. Provocative and ambivalent he can sit up and arouses curiosity. Who kills whom? An ambivalence that is also reflected in the relationship between the two countries, Iran and United States, which takes up Cheheltan in his book. The author provides his readers in six episodes insight into the historical background of misunderstanding and violence between Iran and the U.S.. From different perspectives of ordinary, simple people can pass Cheheltan the historical events from 1924 to 1988 in review and makes them feel close.
In collaboration with the literary salon DIWAN Association welcomed the writer to the Persian-German reading. Guy Helminger Navid Kermani and talked to him about the second part of Tehran Cheheltans trilogy, and on the particular political and social context in which a writer is working in Iran. And enjoy, “Lezat” that forms in the writing process when you merge the narrative threads. And filmmaker Ali Samadi Ahadi DIWAN Board presented the evening. Besides the author also gave the actress Caroline Schreiber a touching passage from “kill Americans in Tehran” for the best.
Ein Roman über den Hass in sechs Episoden. C. H. Beck, München 2011. 189 Seiten, 18,95 Euro.
Roman über den Hass
In den letzten Jahren wurden viele persische Texte übersetzt, die im Iran an der Zensurbehörde scheiterte. Nach »Teheran Revolutionsstraße« 2009 hat der iranische Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan jetzt seinen zweiten Roman Amerikaner töten in Teheran auf Deutsch herausgebracht. 2008 hatte der Autor versucht, diesen politischen Roman im Iran zu veröffentlichen, was ihm trotz vieler Änderungen und Kürzungen nicht gelang. Die unzensierte Ausgabe des Buches ist nun in einer Übertragung der ÜbersetzerInnen Susanne Baghestani und Kurt Scharf im C.H. Beck Verlag erschienen.
Cheheltan ist diesmal auf der Suche nach den Gründen des Antiamerikanismus im Iran. Er hat einen Roman vorgelegt mit vielen historischen Fakten, die eingebunden werden in eine raffinierte fiktionale Geschichte. Die Botschaft ist klar: »Auf einer solchen Vergangenheit (kann man) keine glänzende Zukunft aufbauen«. Cheheltan zeigt, wie drei Generationen einer Familie die schwere Last der iranischen Geschichte auf ihren Schultern tragen. »Die Amerikaner werden in Teheran getötet«, heißt der Originaltitel des Bandes. Die Doppeldeutigkeit des deutschen Titels scheint bewusst gewählt zu sein, um darauf zu verweisen, dass auch IranerInnen schwer unter den Amerikanern leiden mussten.
Die in sechs Episoden erzählte Geschichte kreist um Amerikaner, die innerhalb von sechs Jahrzehnten in Teheran ums Leben kommen. Der Iran mit seinem Erdöl gilt als Land, auf das sich das koloniale Begehren der Russen und des Westens richtet. Das erste Opfer im Roman ist Major Robert Imbrie, Vizekonsul an der amerikanischen Botschaft, der 1924 wegen einer Konzession für Erdölfelder nach Teheran reist. Zu dieser Zeit gibt es Unruhen in der Hauptstadt, und Resa Chan, der Vater des Schahs, kommt an die Macht. Die iranische Gesellschaft ist laut Cheheltan von Aberglaube und Irrationalität geprägt. Ironisch schildert der Autor, wie Imbrie in dieser Atmosphäre heftige Prügel mit Todesfolge bezieht. Dreißig Jahre nach Imbries Ankunft kommt ein Operationsleiter der CIA nach Teheran, um die Regierung des Linksnationalisten Mohammad Mossadegh durch einen Putsch zu stürzen. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Amerikaner bei den PerserInnen noch beliebt. Der CIA-Agent kehrt er als Sieger in seine Heimat zurück.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht eine Figur namens Resa. Fünfzig Jahre vergehen nach Imbries Ermordung, als George, sein Großneffe, nach Teheran kommt, um herauszufinden, warum Amerikaner in diesem Land getötet werden. Georges Beziehung mit Resas Zwillingsschwester endet damit, dass beide in einem Stammlokal der Amerikaner durch einen terroristischen Anschlag kommunistischer Revolutionäre ums Leben kommen. Resa gehört zu einer ähnlichen Untergrundorganisation und tötet Amerikaner. Er wird festgenommen, kommt aber kurz vor der Islamischen Revolution 1979 frei, weil er Genossen verrät. Da er sich nach der Revolution dem neuen Regime entgegenstellt, muss er noch einmal sechs Jahre lang in Haft. 1988 wird Resa wie viele Tausende exekutiert.
Wer nach den Ursachen des Hasses im Iran auf den Westen – vor allem auf die USA – sucht, muss dieses spannende Buch lesen.
Azadeh Hatami
Was ich gerade gelesen habe Aller guten Dinge sind drei
15 January 2012Bevor ich meinen letzten Lesestoff in die entsprechenden Regale einräume, kann ich vielleicht das eine oder andere gute Buch empfehlen.
1. Gianrico Carofiglio - "In ihrer dunkelsten Stunde": Eine neue Aufgabe wartet auf Avvocato Guido Guerrieri, eine Studentin ist spurlos verschwunden, die Polizei will die Akten schließen, doch die verzweifelten Eltern bitten den Avvocato um seine Hilfe. Eine schier unlösbare Aufgabe, doch Guerrieri lässt nicht locker und löst, wie könnte es anders ein, auch diesen Fall.
Ich habe Carofiglio vor ein paar Jahren in der Schießhalle des Landeskriminalamtes bei einer Lesung getroffen und sowohl ihn persönlich als auch seinen Romanhelden Avvocato Guido Guerrieri schätzen gelernt. Carofiglio war viele Jahre in seiner Heimatstadt Bari Antimafia-Staatsanwalt und 2007 Berater des italienischen Parlaments für den Bereich organisierte Kriminalität. Der vierte Kriminalroman um den Avvocato ist sein bester. Unbedingt lesenswert. (Schenken kann man sich dafür sein vorletztes Buch: "Eine Nacht in Bari".)
2. Josh Bazell - "Schneller als der Tod": Ein "unverschämt witziger" Roman über einen ehemaligen Mafiakiller der New Yorker Mafia, der ausstieg, ins Zeugenschutzprogramm ging und Arzt wurde. Doch die Vergangenheit holt ihn ein. "Ein adrenalingeladener Thriller, mit Dialogen so scharf wie ein Skalpell ... extrem cool und schockierend unterhaltsam", so der Klappentext. "Zynisch und komisch wie Dr. House." Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Totengräber. (Das letzte Kapitel würde ich kein zweites Mal lesen.)
3. Amir Hassan Cheheltan - "Amerikaner töten in Teheran": Hier geht es um das Verhältnis zwischen Amerika und dem Iran. In sechs Episoden, die alle miteinander zu tun haben, werden tragische Ereignisse von 1924 über 1953 und 1978 bis 1988 erzählt. Der Titel ist zweideutig. In allen Geschichten werden Amerikaner in Teheran getötet, aber Amerikaner können auch selbst in Teheran töten. "Einfühlsam und kenntnisreich ... ist dieser Roman zugleich das Porträt Teherans, einer der Mega-Citys, in denen sich unsere Zukunft entscheiden wird." Da braucht man nur die Nachrichten einschalten. Die Geschichte zwischen Iran und Amerika wird täglich fortgeschrieben.
Jeder ist für das Schicksal seines Landes verantwortlich.
01 January 2012Thomas Hummitzsch traf den iranischen Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan und sprach mit ihm über den arabischen Frühling, die Situation im Iran und sein neues Buch »Amerikaner töten in Teheran«. Ein Roman über den Hass in sechs Episoden.
Herr Cheheltan, Sie leben derzeit nicht in Teheran, ihre Frau schon. Wie ist die Situation in Teheran momentan?
Nicht einfach. Es ist typisch für den Iran, dass es nahezu unmöglich ist, zu erahnen, was als nächstes passiert. Alles ist hinter einem Vorhang aus Nebel, nichts ist transparent. Alles was passiert, geschieht unerwartet.
Was empfinden Sie, wenn Sie über den Arabischen Frühling nachdenken, der wohl im Frühjahr 2009 im Iran seinen Ursprung, jedoch erst in Tunesien, Ägypten und Libyen seinen Erfolg gehabt hat?
Es gab ganz sicher immer eine gegenseitige Beeinflussung zwischen den arabischen Staaten und ich verfolge die Neuigkeiten aus der arabischen Welt mit großer Freude. Aber was im Iran vor sich geht, unterscheidet sich von diesen Ereignissen. Zwar forderten all die arabischen revolutionären Bewegungen Frieden und Demokratie, aber die Geschehnisse im Iran sind um einiges tiefer.
Alle politischen Ereignisse in der Region haben ihre Wurzeln im Iran. Iran war der erste asiatische Staat, der 1906 ein Parlament installierte. 1951 verstaatlichte der Iran als erster arabischer Staat seine Ölindustrie. Und das iranische Volk war das erste arabische Volk, das die Monarchie durch eine Revolution Anfang 1979 – nicht durch einen Sturz! – beendet hat. In den arabischen Ländern vollzieht sich jetzt zum ersten Mal eine echte Revolution, das Volk erhebt sich. Zwar wurde auch in der Vergangenheit bei Regimewechseln immer von Revolution gesprochen, aber diese Umbrüche waren keine Revolutionen, sondern politische Stürze. Erst jetzt findet die Revolution dort und das macht mich sehr glücklich. Vielleicht hilft das auch dem Iran.
Kommen wir zu Ihrem neuen Roman, der gerade auf Deutsch erschienen ist. »Amerikaner töten in Teheran« lautet der zweideutige Titel des Buches, in dem Sie davon erzählen, dass Amerikaner in Irans Hauptstadt töten und getötet werden. Sie thematisieren die historischen Verflechtungen der USA und des Iran. Wann fing es an, dass sich die Schicksale beider Staaten miteinander verbanden?
Diese komplizierte Beziehung zwischen den USA und dem Iran begann ganz sicher nach dem Sturz 1953. Davor genossen die USA im Iran den Ruf eines liberalen Landes, das andere Staaten unterstützt, sich zu friedlichen und demokratischen Gesellschaften zu entwickeln. Sie hatten keine kolonialistischen Ambitionen. Für Iraner war der Sturz Mossadeghs eine sehr traumatische Erfahrung, der eine infizierte Wunde in der iranischen Seele hinterließ. Iraner wurden unfreiwillig zum Opfer der US-Politik, obwohl sie niemals als ein solches wahrgenommen werden wollen. Bis heute halten Sie daher Ausschau nach Rache und das macht die Situation nur schwieriger. Militante Iraner sehen in den USA daher immer den Feind Nummer Eins.
Bis heute?
Man könnte sagen, dass es sich gerade etwas ändert. Iraner neigen dazu, sich konträr zur Linie der eigenen Regierung zu orientieren. Als der Schah eine gute Beziehung zu den USA hatte, stellten sich die Studenten, die linken Kräfte und die Intellektuellen dem entgegen. Jetzt, wo die iranische Regierung einen klaren antiamerikanischen Kurs fährt, blicken die jungen Kräfte hoffnungsvoll nach Amerika. Man könne dieses Verhalten Schizophrenie nennen.
Das erinnert mich an eine der Figuren in ihrem Buch, die sagt, dass die iranischen Regierungen niemals bei ihrem Volk gewesen seien.
Ja, das ist die bittere Lektion, die man aus der modernen iranischen Geschichte lernen kann.
Diese moderne iranische Geschichte, die Sie ansprechen, steht im Zentrum ihres neuen Romans. Sie beginnen mit dem Mord an dem amerikanischen Konsul Robert Imbrie im Jahr 1924, erzählen dann die Geschichte des Sturzes von Mossadegh unter amerikanischer Anleitung im Jahr 1953 anhand der Geschichte des US-Geheimdienstlers Kim (Kermit) Roosevelt und lassen den Leser anschließend in die iranischen Untergrundaktivitäten der 1970er Jahre blicken, indem sie vom Schicksal des jungen Iraners Resâ berichten. Daran schließt sich das aus meiner Sicht zentrale Kapitel des Buches an, welches am Vorabend der iranischen Revolution spielt. Wir erfahren von dem amourösen Abenteuer des Amerikaners George mit der Iranerin Minâ und dem verheerenden Ausgang. Von diesem Kapitel an wird das iranische Schicksal zum Schicksal der Familie Huschmand. Die Fäden der einzelnen Geschichten laufen bei der Mutter Malak Bânu zusammen. Die ohnehin schwachen Grenzen zwischen Gut und Schlecht, Richtig und Falsch lösen sich spätestens hier vollkommen auf.
Ja, ich glaube nicht an dieses Schwarz-Weiß-Klischee. Ich urteile nicht über meine Charaktere. Diejenigen, die Urteile fällen, wollen Antworten. Ich aber will Fragen stellen, so gut und so präzise wie nur möglich. Und wenn man durch diese Fragen ein Bild von sich selbst oder einer Gesellschaft gewinnt, dann ist man schon nah an den Antworten dran.
Liegt darin der Grund dafür verborgen, dass Sie die Geschichte der Familie Huschmand, in der sich die gesamte iranische Tragödie spiegelt, entwickelt haben?
Ich habe versucht, die gesamte iranische Gesellschaft in dieser Familie zu bündeln. Das Schicksal der verschiedenen Generationen dieser Familie basiert auf den Erfahrungen der iranischen Gesellschaft. Sie können im Iran viele Familien finden, deren Mitglieder in beiden Regimes im Gefängnis waren. Und wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem Regime des Schahs und dem der Mullahs um zwei gegensätzliche Diktaturen handelt, dann ist es absurd, dass dieselben Menschen sowohl unter dem Schah als auch unter den Mullahs »aus politischen Gründen« im Gefängnis saßen. Aber genau das war der Fall.
Für den westlichen Leser ist ihr Buch ein Geschenk, denn es liefert die historischen und gesellschaftlichen Fakten der iranischen Realität im Gewand eines Romans. Ich möchte daher noch einmal auf die Gegenwart kommen. Sind die Antriebskräfte der jungen Menschen im Iran heute mit denen in der iranischen Geschichte vergleichbar?
Wenn Sie die so genannte »grüne Bewegung« meinen, dann denke ich, dass die Grundeinstellung der jungen Menschen heute eine andere ist. Sie haben niemals ein großes Ideal oder Vorbild im Kopf gehabt wie es meine Generation oder noch die davor hatte. Wenn man ein großes Ziel vor Augen hat, wie wir es damals hatten, dann kommt man diesem oft nicht nahe, weil man seine Möglichkeiten meist nicht im Blick hat.
Ich wollte aber auch die Frage der Gewalt thematisieren, denn das ist etwas, was sich in der modernen Geschichte des Iran ständig wiederholt. Und ich denke, es ist nicht immer nur die Regierung, die dafür verantwortlich gemacht werden muss, sondern auch die oppositionellen Gruppen, die Künstler, Schriftsteller, Intellektuellen. Jeder ist für das Schicksal seines Landes verantwortlich.
Am Ende ihres Romans legen Sie den Finger in die Wunde der Straflosigkeit im Iran.
Ja, denn die Frage, die mich am meisten beschäftigt, ja beunruhigt, ist die, was »danach« geschieht. Viele Menschen mögen Begeisterung empfinden, wenn sich ein Wandel ankündigt, aber man muss auch daran denken, was nach einem solchen Wandel geschieht. Wenn ein Umsturz viele Enttäuschungen und Aggressionen freisetzt, dann ist es nicht weit zum Gewaltausbruch. Und wenn sich dieser Kreislauf aus Enttäuschung und gewaltsamem Umsturz ständig wiederholt, dann ist jeder Sieg nur ein Pyrrhussieg.
In ihrem Roman sagt ein iranischer Professor zu dem jungen Amerikaner George: »Wir machen uns das Leben aus einer gewissen Dummheit heraus schwer.«
Ja, denn wenn man die alten Fehler immer wieder macht und nicht aus der Erfahrung lernt, dann ist das in meinen Augen dumm. Die unaufhörliche Spirale der Gewalt kann ein Element dieser Dummheit sein. Diese Dummheit drückt sich in der Unfähigkeit aus, eine Situation zu bewerten und daraus zu lernen.
Vom Personal ihres Romans bleibt am Ende nur Malak Bânu übrig, dement und unfähig, sich um sich selbst zu kümmern. Kann sie die Realität nur ertragen, indem sie alles vergisst?
Nun ja, zunächst einmal ist ein Aspekt ihres Zustands, dass sie in ihren eigenen Exkrementen zurücklassen wird. Sie geht in ihren eigenen Ausscheidungen unter. Der andere Aspekt ist der Druck und die Härte der Realität, mit der sie ihr Leben lang konfrontiert war und die sie komplett vergisst. Alles, was ihr am Ende bleibt, sind Erinnerungen an Liebe und Leidenschaft. Und das möchte ich sagen: Was dem Menschen am Ende bleibt, ist Liebe. Selbst wenn man sich als Aktivist 24 Stunden am Tag mit politischen Fragen befasst, hat die Liebe die tiefste und nachhaltigste Wirkung.
Von Glanz & Elend - Magazin für Literatur und Zeitkritik
Todfeinde
15 December 2011ckm. ⋅ Es ist ein bewusst doppeldeutiger Titel, den der 1956 in Teheran geborene Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan seinem neuen Buch, «Amerikaner töten in Teheran», gegeben hat, in dem er das von Hass geprägte Verhältnis zwischen Amerika und Iran beleuchtet: Wer tötet eigentlich wen? Doch von schlichter Schuldzuweisung ist Cheheltan weit entfernt. Ihn interessiert vielmehr Ursachenforschung: Woher stammt, wann begann dieser Hass? Denn sowohl der Westen als auch die Iraner scheinen vergessen zu haben: Einst gab es eine Zeit, in der die Amerikaner nicht nur gelitten, sondern angesehen waren als Garanten für Freiheit und Gerechtigkeit. Was also ist geschehen? Cheheltan nimmt uns anhand von sechs lose verknüpften Episoden mit in die Vergangenheit: Rund 60 Jahre – von 1924 bis 1988 – übergreifen diese halb dokumentarisch, halb fiktional angelegten Episoden, die zugleich Schlüsselmomente in der iranischen Geschichte des 20. Jahrhunderts markieren: allem voran den vom CIA geplanten und durchgeführten Staatsstreich gegen den selbstbewusst die Interessen Irans verfechtenden Premierminister Mossadegh im Jahr 1953. Es ist der Wendepunkt im beiderseitigen Verhältnis. In Iran ist eine historische Chance zur demokratischen Öffnung vertan; die Amerikaner, besessen von ihrem Kampf gegen den Kommunismus, beginnen mit ihrer politischen Einflussnahme. Das iranische Volk aber – im Roman verkörpert durch eine Familie von Widerstandskämpfern – leidet, erst unter dem Schah, dann unter den Mullahs. Fortan wird es die Amerikaner hassen: nicht weil diese Westler sind, sondern weil sie als Handlanger der eigenen unterdrückerischen Regierungen gelten. Gekonnt wechselt Cheheltan zwischen verschiedenen Perspektiven, springt vom historischen Kommentar zu plastischen Alltagsszenen – allein die deutsche Übersetzung wirkt bisweilen leider spröde bis hölzern.
Amir Hassan Cheheltan: Amerikaner töten in Teheran. Ein Roman über den Hass in sechs Episoden. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani und Kurt Scharf. Verlag C. H. Beck, München 2011. 190 S., Fr. 28.90.
Als der Westhass in den Iran kam
03 November 2011In seinem Roman "Amerikaner töten in Teheran" untersucht der Schriftsteller Amir Hasan Cheheltan die Feindschaft zwischen den USA und Iran. Ein authentisches, spannendes Buch.
Dem äußeren Beobachter von Iran fällt es schwer, die dortigen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen einzuschätzen. Was denken die Menschen dort, was fühlen sie? Warum hassen viele zum Beispiel den Westen und vor allem die USA? Der in Teheran lebende Schriftsteller Amir Hasan Cheheltan, der im vergangenen Jahr mit seiner tragischen Liebesgeschichte Teheran Revolutionsstraße in Deutschland bekannt geworden ist, geht in seinem neuen Roman diesen Fragen nach. In Amerikaner töten in Teheran versucht er, den Gründen dieses Hasses nachzugehen – in sechs Episoden, die wie in Robert Altmanns Film Short Cuts locker über die Protagonisten miteinander verbunden sind.
Das Buch beginnt mit einem Vorfall aus dem Jahr 1924, als in Teheran das Gerücht entstand: Ein Anhänger der Bahá'i-Religion habe versucht, in einem Vorort der Stadt einen Brunnen zu vergiften, sei aber kurz vor der Tat erblindet. Die Schiiten halten die Bahá'i, die nach ihrem im 19. Jahrhundert lebenden Gründer Bahá'u'lláh benannt sind, für Ungläubige, und interpretierten das Gerücht als Wunder. Tausende begannen, an den Ort des vermeintlichen Ereignisses zu pilgern und zu beten. Der gerade erst im Iran eingetroffene damalige amerikanische Vizekonsul Major Robert Imbrie versucht, für die Zeitschrift National Geographic Fotos von diesem Ereignis zu machen. Nachdem er jedoch seine Kamera aufgebaut hat, wird er mit dem Argument, es befänden sich auch Frauen unter den Pilgern, dazu aufgefordert, das Fotografieren einzustellen.
Doch er ignoriert die Warnungen. Als jemand behauptet, er und seine Begleiter seien Bahá'i und hätten versucht, den Brunnen zu vergiften, kommt es zu einer Hetzjagd. Imbrie wird getötet. Bis heute ist nicht klar, ob es sich um ein Komplott gehandelt hat, das die religiös aufgeheizte Stimmung dazu nutzte, mit Imbries Ermordung die Amerikaner aus dem Iran zu vertreiben, oder nur um einen Zufall und die Ignoranz des Majors.
Es ist die "Irrationalität", sagt der Schriftsteller Homâyun Schakibâ, die die "Grundlage für die den Aberglauben nährenden Schichten unserer Mentalität [ist] als auch die Basis unserer für den Despotismus so empfänglichen Denkungsart". Sein Gesprächspartner ist George, der Großneffe Major Imbries, der in der vierten Episode kurz vor der Revolution 1978 in den Iran reist, um herauszufinden, weshalb die Iraner die Amerikaner so hassen. Beide treffen sich zufällig an der Bar eines Hotels. "Diese Nation", fährt Schakibâ fort, "hält die Vernunft eigentlich für einen überflüssigen Luxus."
Das entscheidende Ereignis für den schlechten Ruf der USA im Iran war jedoch der 1953 von der CIA inszenierte Putsch gegen den gewählten Präsidenten Mossadegh, den Chehaltan in der zweiten Episode seines Buches erzählt. Drei Anläufe waren nötig, um Mossadegh zu stürzen. Drei Anläufe, bei denen die CIA nicht nur bei allen großen Tageszeitungen im Iran Artikel kaufte, die die kommunistische Gefahr durch die Regierung Mossadegh beschworen, sondern sogar Karikaturen in den USA anfertigen ließ, um die allgemeine Stimmung gegen ihn anzuheizen.
Beim dritten Anlauf, nachdem Tausende gekaufte Demonstranten gegen den Präsidenten auf die Straße gegangen waren, konnte er verhaftet werden und der Schah, der kurz zuvor das Land verlassen hatte, kehrte zurück. In den darauf folgenden 25 Jahren regierte er mit Geheimpolizei und Terror das Land. Unterstützt wurde er dabei von amerikanischen Beratern, die zumeist in der Armee oder im Geheimdienst arbeiteten. Am Ende waren es mehr als 45.000.
Der Titel Amerikaner töten in Teheran kann deshalb auf zweierlei Weise gedeutet werden. Die Gründe für den Hass auf den Westen sind nicht immer einfach zu verstehen, auch dann nicht, wenn die Argumente der Figuren in einer Geschichte des Buches zunächst einfach klingen. In einer anderen Episode werden ihnen aus einer anderen Perspektive neue hinzugefügt, die das Bild infragestellen oder erweitern. Das geht bis hin zu der paradoxen Aussage von Homâyun Schakibâ, der an der Hotelbar seinem verwunderten Gesprächspartner aus den USA erklärt: "Alle in diesem Land wollen Westler werden, sogar diejenigen, die den Westen verabscheuen. Dieser Wunsch, ihn zu vernichten, ist aus abgrundtiefem Neid erwachsen. Sie wissen, dass grenzenloser Neid in Hass umschlägt."
Der marokkanische Schriftsteller Tahar ben Jelloun hat in seiner Eröffnungsrede zum diesjährigen Internationalen Literaturfestival in Berlin gesagt, es sei obszön angesichts der Revolutionen in der arabischen Welt Bücher zu schreiben, die um die eigene Befindlichkeit kreisen. Amir Hassan Cheheltan zeigt, dass in einem Land wie Iran, in dem der Alltag unmittelbar von Politik und Gewalt geprägt wird, natürlich auch die eigene Befindlichkeit mit Politik und Gewalt verknüpft ist.
Wenn Cheheltan deshalb Geschichten über Politik und Gewalt erzählt, erzählt er immer auch von sich selbst. Bis heute konnte zum Beispiel sein Roman Teheran Revolutionsstraße in Iran nicht erscheinen. Vielleicht ist Amerikaner töten in Teheran deshalb ein so authentisches und spannendes Buch, weil hier die politische Geschichte eines Landes – erzählt anhand fiktiver, auf historischen Fakten beruhenden Geschichten – ein persönliches Anliegen des Autors ist.
Von Fokke Joel
Die Wurzeln des Antiamerikanismus im Iran
02 November 2011Wer verstehen will, wieso ein Politiker wie Mahmud Ahmadinedschad im Iran noch heute die Karte des Antiamerikanismus zücken kann, dem wird dieses Büchlein helfen. Es beleuchtet in halbdokumentarischen Erzählungen Schlüsselmomente der jüngeren iranischen Geschichte, die den langsamen Bruch aufzeigen.
Wir schreiben das Jahr 1924, der Sommer ist heiß in Teheran. Kein Wunder also, dass das Gesicht des damaligen amerikanischen Vizekonsuls Major Robert Imbrie – der seit einem Jahr gemeinsam mit seiner Frau in der iranischen Hauptstadt weilt – „die Farbe von roten Rüben“ annimmt. Doch Imbrie – eine historisch verbürgte Figur – erwartet Schlimmeres: Aufgrund eines dummen Zufalls wird er bald von einer aufgebrachten Menge Gläubiger erschlagen werden.
„Die Zeremonie des Hundetöten“ lautet die erste von sechs Episoden, anhand derer der 1956 in Teheran geborene Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan das so schwierige und von Hass erfüllte Verhältnis zwischen dem Iran und Amerika rekapituliert. Rund 60 Jahre – von 1924 bis 1988 – umfassen diese halb dokumentarisch, halb fiktional angelegten Episoden, deren Handlungsstränge lose miteinander verwoben sind.
Zugleich beleuchten sie historische Schlüsselmomente in der iranischen Geschichte des 20. Jahrhunderts: allen voran den vom CIA geplanten und durchgeführten Staatsstreich gegen Premierminister Mossadegh im Jahr 1953; die Rückkehr des Schahs, dann dessen Sturz; schließlich die islamische Revolution im Jahr 1979, die unter anderem zur Folge hatte, dass im Juli 1988 Tausende politische Gefangene innerhalb weniger Tage in Massenhinrichtungen getötet wurden.
Cheheltan liefert dabei einen dunklen, aber auch überraschenden Befund über das iranisch-amerikanische Verhältnis. Denn er erinnert an eine Zeit, in der „die Vorliebe für Amerika noch nicht als Schande galt“ im Land der Mullahs, Amerika noch Garant war für Freiheit und Gerechtigkeit. Was also ist geschehen? Entsprechend des bewusst doppeldeutigen Titels – wer tötet eigentlich wen? – betreibt Cheheltan eine Art zweifache Ursachenforschung: Seitens des iranischen Volks vermerkt er einerseits eine gefährliche Mischung aus Leidenschaft, Aberglaube, Religiosität, sozialer Unzufriedenheit und Geschichtsvergessenheit.
Die Amerikaner dagegen huldigten, wie einst Robert Imbrie, erst dem schon damals – so Cheheltan – „von Motten zerfressenen Mythos Persien“. Dann begannen sie das Land bewusst zu destabilisieren, indem sie es mehr und mehr zum Spielball eigener politischer Interessen machten: erst im Kampf gegen den Kommunismus, dann im Ringen um das Öl.
Obwohl als Roman betitelt, bilden die sechs Episoden dabei keine durchgehende Handlung. Cheheltan, der die Katastrophen der jüngeren iranischen Geschichte am eigenen Leib erfahren hat, verklammert die einzelnen Bruchstücke erst allmählich und nur sehr subtil zu einem lockeren Ganzen, indem er Robert Imbries Geschichte mit den Lebenswegen einer iranischen Familie von Widerstandskämpfern zusammenführt, die wie der Vizekonsul letztlich alle für die Politik ihr Leben lassen müssen.
Gekonnt wechseln die Episoden daher zugleich zwischen historischem Kommentar und plastisch geschilderten Alltagsszenen. Leider wirkt die deutsche Übersetzung stellenweise spröde bis hölzern. Dennoch: Wer verstehen will, wieso ein Politiker wie Mahmud Ahmadinedschad noch heute die Karte des Antiamerikanismus zücken kann, der lese „Amerikaner töten in Teheran“.
Besprochen von Claudia Kramatschek
Amir Hassan Cheheltan: Amerikaner töten in Teheran
Roman. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani und Kurt Scharf
C.H. Beck Verlag, München 2011
190 Seiten; 19,50Euro
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Killing Americans in Tehran
27 October 2011The German translation of آمریکایی کُشی در تهران -- on which this review is based -- has the title 'Amerikaner töten in Teheran', which can mean both 'Killing Americans in Tehran', and 'Americans killing [others] in Tehran'. That's what Amir Hassan Cheheltan presents in his novel, a series of killings that also serve as snapshots of the Iranian (twentieth) century -- and reflect the role America played in Iran during that time.
The novel is presented in six episodes, all of which are centered on actual events that were turning points in Iranian history. The first episode is set in 1924, when an American diplomat, Robert Imbrie, was killed by a mob -- an incident that led to the imposition of martial law. The second describes the 1953 coup d'état and the overthrow of Mohammad Mosaddegh, orchestrated by Kermit 'Kim' Roosevelt.
The third episode is set in 1973, as would-be revolutionaries specifically begin to target Americans. The fourth episode is set in 1978, the revolution now inevitable (even as its form is not yet clear), and finds Robert Imbrie's grand-nephew returning to Tehran. The fifth episode is set on 24 January 1979, a week after the departure of the Shah and a week before the return of Ayatollah Khomeini to Iran. The final episode is set in the summer of 1988, when the Iranian regime executed thousands of political prisoners.
While Cheheltan loosely connects these episodes -- Imbrie's grand-nephew as a connection to the earlier time, or in the character of Reza, who goes from revolutionary to prisoner to broken man in several episodes -- it is history that dominates. The episodes truly are meant to be snapshots of those most pivotal moments, and the stories that Cheheltan presents then offering a variety of reflections on them -- sometimes very directly, as when Imbrie's grand-nephew is in conversation with a professor about what has happened in Iran, and other times obliquely, as in the final epsiode, where the broken Reza, taking care of his senile mother, is rounded up by the police.
آمریکایی کُشی در تهران can't escape its author's didactic and instructive intentions. Built up around such significant dates, Cheheltan has to tread carefully not to let them overwhelm the stories; covering so much in such a small space -- it is a fairly short book -- he has to be careful not give short shrift to so much history. On the whole, the varied approaches he takes serve him well, making for interesting perspectives; the most familiar episode, the 1953 coup d'état, is the one in which he seems most unsure of his footing -- but then the material is so rich that it's still a compelling episode, regardless.
Cheheltan has not pared away twentieth century Iranian history to its essence, but his choice of what to focus on -- and what to leave out (including, most obviously to American readers, the hostage crisis in the wake of the takeover of the American embassy in Tehran) -- does make for a fairly powerful and effective portrait of a nation. Arguably focused on the worst that has happened, it points specifically to foreign interference as having repeatedly led to bad outcomes. (As Cheheltan amusingly points out, too, the Americans were originally seen as benign, while it was the British who were viewed with the most suspicion.) Cheheltan makes many of his points rather obviously, but then the events he centers his narrative on barely allow him otherwise.
آمریکایی کُشی در تهران is a good introductory novel of a country and of what it has been through. Cheheltan offers both art and analysis, but can't quite commit to one or the other in this novel. If ultimately not entirely successful as a reading-experience, it remains an interesting work.
Tödliche Jagd
12 October 2011HASS Enttäuschte Hoffnungen: Amir Hassan Cheheltans „Amerikaner töten in Teheran“
Brennende US-Fahnen, auf den Straßen Teherans reckt der Mob die Fäuste: Der malerische Antiamerikanismus, den die iranischen Medien gern in Krisenzeiten einsetzen, ist schnell als Propaganda durchschaut. Doch was, wenn ein unverdächtiger Iraner in dieselbe Kerbe haut? Was will Amir Hassan Cheheltan damit sagen, dass er gleich zu Beginn seines neuen Romans den amerikanischen Vizekonsul Robert Imbrie an einem Sommertag des Jahres 1924 in Teheran Opfer eines Pogroms werden lässt? Dass der Hass auf Amerika doch so eine Art Wasserzeichen der iranischen Psyche ist?
Cheheltan ist hierzulande kein Unbekannter mehr. Zu Recht war er 2009 für seinen Roman „Teheran Revolutionsstraße“ mit Lob überhäuft worden. Selten hat ein Roman die moralische Aushöhlung der iranischen Gesellschaft so vor Augen geführt wie das Werk des 1956 in Teheran geborenen Autors.
Nach dem Sittenbild zielt Cheheltan in seinem neuen Buch mit dem doppelsinnigen Titel „Amerikaner töten in Teheran“ auf die kollektive Psyche seines Landes. In sechs Episoden geht er der – historisch verbürgten – Ermordung von Amerikanern in der iranischen Hauptstadt nach: von der tödlichen Jagd auf Robert Imbrie bis zum Tod seines Großneffen George, der dort 24 Jahre später ebenfalls ermordet wird.
In „Teheran Revolutionsstraße“ gelang es Cheheltan, seine Botschaft ganz in der vertrackten Personenkonstellation und deren schizophrenem Seelenleben aufgehen zu lassen. Mit der Familie Huschmand agiert auch in „Amerikaner töten in Teheran“ ein Sinnbild für die enttäuschten Hoffnungen der Iraner auf Demokratie und Selbstbestimmung: Erst verliert die Familie ihre Angehörigen im Untergrundkampf gegen den Schah, dann in dem gegen die Mullahs.
Leider kommt dem begnadeten Erzähler Cheheltan immer wieder der Journalist Cheheltan in die Quere. Etwa, wenn er den undurchsichtigen Professor Schakiba in einer Hotel-Lounge vor Robert Imbries Nachfahren George dozieren lässt: „Alle in diesem Land wollen Westler werden, sogar diejenigen, die den Westen verabscheuen. Dieser Wunsch, ihn zu vernichten, ist aus abgrundtiefem Hass erwachsen. Sie wissen, dass grenzenloser Neid in Hass umschlägt.“ Wenig später fällt der junge Mann einem Anschlag muslimischer Fanatiker zum Opfer, ein halbes Jahr nach dem Iran-Besuch von US-Präsident Jimmy Carter im Dezember 1977. Mit ihm stirbt seine Geliebte Mina Huschmand.
Im Kern kreist der Roman um den CIA-Staatsstreich gegen den Premier Mossadegh 1953. Aus dem traumatischen Ereignis leitet Cheheltan die Fixierung seines Landes auf einen geliebten Feind ab. Er hantiert aber trotzdem gern mit einem ominösen Nationalcharakter. Seine Protagonisten lässt er das entzündliche Gemüt seiner Landsleute mit Kategorien wie „Irrationalität“ oder „heftige Emotionen und übereilte Beschlüsse“ erklären.
Über diese Widersprüche hilft der Erzähler hinweg: Sein Sarkasmus und sein erbarmungsloser Blick verwandeln Cheheltans Gerüst aus Fakten immer wieder zu reiner Poesie; Schönheit und Schrecken sind ihm zwei Seiten derselben Medaille. Am Ende der Episode über die Absetzung Mossadeghs bricht es zwar wieder aus ihm heraus: „Dieser Amerikaner hatte zwar die unbedeutende Aufgabe erhalten, Iran vor der Gefahr des Kommunismus zu bewahren, dabei aber auch ein orientalisches Ehrengewand, die Geschichten von Tausendundeiner Nacht, die traumhaften Nächte von Schiras, die Rosengärten von Nischapur in den Dreck gezogen und die Iraner mit der Frage zurückgelassen, womit in diesem Land Geschichte geschrieben wurde“. Doch wer auch immer da gesprochen haben mag: Blinden Antiamerikanismus wird man das nicht nennen können.
Amerikaner töten in Teheran
09 October 2011«Amerikaner töten in Teheran» von Amir Hassan Cheheltan
Es sind sechs Episoden über den Hass: Amir Hassan Cheheltan geht von den zahlreichen Attentaten gegen Amerikaner in Teheran aus. Dabei geht er Personen nach, Tätern wie Opfern, und er fragt nach den Gründen für den Hass zwischen Iranern und Amerikanern.
Cheheltan bleibt nahe an der sorgfältig recherchierten historischen Realität und erzählt eindringliche Geschichten, die sich in ihrer Abfolge allmählich miteinander zu einem Ganzen verweben.
Amir Hassan Cheheltan, geboren 1956 in Teheran, Ingenieur, Schriftsteller, Soldat im Ersten Golfkrieg, lebte im Exil in Italien, später wieder in Teheran. Er schreibt Romane, Essays und Drehbücher. Der Roman «Teheran Revolutionsstrasse», 2009 zuerst auf Deutsch erschienen, war ein internationaler Erfolg, wurde aber nie auf Farsi publiziert.
Eine gewisse Dummheit
05 October 2011
„Wenn man die alten Fehler immer wieder macht und nicht aus der Erfahrung lernt, dann ist das in meinen Augen dumm.“ Ein Gespräch mit dem iranischen Autoren Amir Hassan Cheheltan über den arabischen Frühling, die aktuelle Situation im Iran, den Einfluss von Religion auf Politik und seinen neuen Roman über den Hass in sechs Episoden „Amerikaner töten in Teheran“, der vor wenigen Wochen in Deutschland erschienen ist.
Thomas Hummitzsch
Mittwoch, 5. Oktober 2011
Der iranische Autor Amir Hassan Cheheltan sorgte vor zwei Jahren mit seinem Roman Teheran Revolutionsstraße für Aufsehen. Neben Mahmud Doulatabadis Der Colonel repräsentierte Cheheltans Erzählung die grüne Revolution im Iran. Teheran Revolutionsstraße erschien 2009 als Weltersterscheinung auf Deutsch, im Iran ist der Roman bis heute verboten. Cheheltan selbst lebte damals in Deutschland und hielt sich zuletzt in Italien und den USA auf. Trotz Zensur will er in seine Heimat zurückkehren. diesseits traf Amir Hassan Cheheltan und sprach mit ihm über sein neues Buch, seine Situation und die Ereignisse in der arabischen Welt.
Herr Cheheltan, Sie leben derzeit nicht in Teheran, ihre Frau schon. Wie ist die aktuelle Situation in der Stadt?
Nicht einfach. Es ist typisch für den Iran, dass es nahezu unmöglich ist, zu erahnen, was als nächstes passiert. Alles ist hinter einem Vorhang aus Nebel, nichts ist transparent. Alles was passiert, geschieht unerwartet.
Hat sich seit der sog. Grünen Revolution im Jahre 2009 irgendetwas wahrnehmbar verändert oder ist alles gleich geblieben?
Die iranische Gesellschaft macht seit Jahrzehnten eine Art von permanentem Wandel durch. Aber es ist nicht immer möglich, ihn wahrzunehmen oder zu bewerten. Aber er befindet sich in einem steten Fluss. Und von Zeit zu Zeit kann man Anzeichen dieses Wandels erkennen.
Was empfinden Sie, wenn Sie über den Arabischen Frühling nachdenken, der wohl im Frühjahr 2009 im Iran seinen Ursprung, jedoch erst in Tunesien, Ägypten und Libyen seinen Erfolg gehabt hat?
Es gab ganz sicher immer eine gegenseitige Beeinflussung zwischen den arabischen Staaten und ich verfolge die Neuigkeiten aus der arabischen Welt mit großer Freude. Aber was im Iran vor sich geht, unterscheidet sich von diesen Ereignissen. Zwar forderten all die arabischen revolutionären Bewegungen Frieden und Demokratie, aber die Geschehnisse im Iran sind um einiges tiefer.
Alle politischen Ereignisse in der Region haben ihre Wurzeln im Iran. Iran war der erste asiatische Staat, der 1906 ein Parlament installierte. 1951 verstaatlichte der Iran als erster arabischer Staat seine Ölindustrie. Und das iranische Volk war das erste arabische Volk, das die Monarchie durch eine Revolution Anfang 1979 – nicht durch einen Sturz! – beendet hat. In den arabischen Ländern vollzieht sich jetzt zum ersten Mal eine echte Revolution, das Volk erhebt sich. Zwar wurde auch in der Vergangenheit bei Regimewechseln immer von Revolution gesprochen, aber diese Umbrüche waren keine Revolutionen, sondern politische Stürze. Erst jetzt findet die Revolution dort und das macht mich sehr glücklich. Vielleicht hilft das auch dem Iran.
Wir haben jetzt etwas über die Situation im Iran und der arabischen Welt gesprochen, kommen wir zu Ihrem neuen Roman, der gerade auf Deutsch erschienen ist. „Amerikaner töten in Teheran“ lautet der zweideutige Titel des Buches, in dem Sie sowohl davon erzählen, dass Amerikaner in Teheran töten als auch getötet werden. Sie erzählen darin von den historischen Verflechtungen der USA und des Iran. Wann fing es an, dass sich die Schicksale beider Staaten miteinander verbanden?
Diese komplizierte Beziehung zwischen den USA und dem Iran begann ganz sicher nach dem Sturz 1953. Davor genossen die USA im Iran den Ruf eines liberalen Landes, das andere Staaten unterstützt, sich zu friedlichen und demokratischen Gesellschaften zu entwickeln. Sie hatten keine kolonialistischen Ambitionen. Für Iraner war der Sturz Mossadeghs eine sehr traumatische Erfahrung, der eine infizierte Wunde in der iranischen Seele hinterließ. Iraner wurden unfreiwillig zum Opfer der US-Politik, obwohl sie niemals als ein solches wahrgenommen werden wollen. Bis heute halten Sie daher Ausschau nach Rache und das macht die Situation nur schwieriger.
Vor 1953 hatte von den westlichen Mächten eher Großbritannien Einfluss auf die iranische Politik, nicht die USA. Und natürlich Russland über die pro-kommunistischen und später pro-sowjetischen Parteien. Aber nach dem Sturz Mossadeghs ging diese Rolle an die USA über, die hunderttausende Militärberater in den Iran entsendeten und den Schah als einen absolutistischen Diktator installierten. Politische Aktivitäten waren nicht mehr möglich. Militante Iraner sehen in den USA daher immer den Feind Nummer Eins.
Bis heute?
Man könnte sagen, dass es sich gerade etwas ändert. Iraner neigen dazu, sich konträr zur Linie der eigenen Regierung zu orientieren. Als der Schah eine gute Beziehung zu den USA hatte, stellten sich die Studenten, die linken Kräfte und die Intellektuellen dem entgegen. Jetzt, wo die iranische Regierung einen klaren antiamerikanischen Kurs fährt, blicken die jungen Kräfte hoffnungsvoll nach Amerika. Man könne dieses Verhalten Schizophrenie nennen.
Das erinnert mich an eine der Figuren in ihrem Buch, die sagt, dass die iranischen Regierungen niemals bei ihrem Volk gewesen seien.
Ja, das ist die bittere Lektion, die man aus der modernen iranischen Geschichte lernen kann.
Diese moderne iranische Geschichte, die Sie ansprechen, steht im Zentrum ihres neuen Romans. Sie beginnen mit dem Mord an dem amerikanischen Konsul Robert Imbrie im Jahr 1924, erzählen dann die Geschichte des Sturzes von Mossadegh unter amerikanischer Anleitung im Jahr 1953 anhand der Geschichte des US-Geheimdienstlers Kim (Kermit) Roosevelt und lassen den Leser anschließend in die iranischen Untergrundaktivitäten der 1970er Jahre blicken, indem sie vom Schicksal des jungen Iraners Resâ berichten. Daran schließt sich das aus meiner Sicht zentrale Kapitel des Buches an, welches am Vorabend der iranischen Revolution spielt. Wir erfahren von dem amourösen Abenteuer des Amerikaners George mit der Iranerin Minâ und dem verheerenden Ausgang. Von diesem Kapitel an wird das iranische Schicksal zum Schicksal der Familie Huschmand. Die Fäden der einzelnen Geschichten laufen bei der Mutter Malak Bânu zusammen. Die ohnehin schwachen Grenzen zwischen Gut und Schlecht, Richtig und Falsch lösen sich spätestens hier vollkommen auf.
Ja, ich glaube nicht an dieses Schwarz-Weiß-Klischee. Ich urteile nicht über meine Charaktere. Diejenigen, die Urteile fällen, wollen Antworten. Ich aber will Fragen stellen, so gut und so präzise wie nur möglich. Und wenn man durch diese Fragen ein Bild von sich selbst oder einer Gesellschaft gewinnt, dann ist man schon nah an den Antworten dran.
Liegt darin der Grund dafür verborgen, dass Sie die Geschichte der Familie Huschmand, in der sich die gesamte iranische Tragödie spiegelt, entwickelt haben?
Ich habe versucht, die gesamte iranische Gesellschaft in dieser Familie zu bündeln. Das Schicksal der verschiedenen Generationen dieser Familie basiert auf den Erfahrungen der iranischen Gesellschaft. Sie können im Iran viele Familien finden, deren Mitglieder in beiden Regimes im Gefängnis waren. Und wenn man davon ausgeht, dass es sich bei dem Regime des Schahs und dem der Mullahs um zwei gegensätzliche Diktaturen handelt, dann ist es absurd, dass dieselben Menschen sowohl unter dem Schah als auch unter den Mullahs „aus politischen Gründen“ im Gefängnis saßen. Aber genau das war der Fall.
Für den westlichen Leser ist ihr Buch ein Geschenk, denn es liefert die historischen und gesellschaftlichen Fakten der iranischen Realität im Gewand eines Romans. Ich möchte daher noch einmal auf die Gegenwart kommen. Sind die Antriebskräfte der jungen Menschen im Iran heute mit denen in der iranischen Geschichte vergleichbar?
Wenn Sie die so genannte „grüne Bewegung“ meinen, dann denke ich, dass die Grundeinstellung der jungen Menschen heute eine andere ist. Sie haben niemals ein großes Ideal oder Vorbild im Kopf gehabt wie es meine Generation oder noch die davor hatte. Wenn man ein großes Ziel vor Augen hat, wie wir es damals hatten, dann kommt man diesem oft nicht nahe, weil man seine Möglichkeiten meist nicht im Blick hat.
Ich wollte aber auch die Frage der Gewalt thematisieren, denn das ist etwas, was sich in der modernen Geschichte des Iran ständig wiederholt. Und ich denke, es ist nicht immer nur die Regierung, die dafür verantwortlich gemacht werden muss, sondern auch die oppositionellen Gruppen, die Künstler, Schriftsteller, Intellektuellen. Jeder ist für das Schicksal seines Landes verantwortlich.
Am Ende ihres Romans legen Sie den Finger in die Wunde der Straflosigkeit im Iran.
Ja. Denn die Frage, die mich am meisten beschäftigt, ja sogar beunruhigt, ist die, was „danach“ geschieht. Viele Menschen mögen Begeisterung empfinden, wenn sich ein Wandel ankündigt, aber man muss auch daran denken, was nach einem solchen Wandel geschieht. Wenn ein Umsturz viele Enttäuschungen und Aggressionen freisetzt, dann ist es nicht weit zum Gewaltausbruch. Und wenn sich dieser Kreislauf aus Enttäuschung und gewaltsamem Umsturz ständig wiederholt, dann ist jeder Sieg nur ein Pyrrhussieg.
In ihrem Roman sagt ein iranischer Professor zu dem jungen Amerikaner George: „Wir machen uns das Leben aus einer gewissen Dummheit heraus schwer.“
Ja, denn wenn man die alten Fehler immer wieder macht und nicht aus der Erfahrung lernt, dann ist das in meinen Augen dumm. Die unaufhörliche Spirale der Gewalt kann ein Element dieser Dummheit sein. Diese Dummheit drückt sich in der Unfähigkeit aus, eine Situation zu bewerten und daraus zu lernen.
Sie sprechen an nur einer Stelle in ihrem Roman über Religion und ihren Einfluss auf die iranische Geschichte. Aus westlicher Perspektive ist das verwunderlich, da der Einfluss der Religion auf das Schicksal Irans durch das Mullahregime evident erscheint.
Ich glaube nicht, dass der Einfluss der Religion auf die Situation im Iran wesentlich größer ist als in vielen anderen Staaten auf der Welt. In den USA zum Beispiel ist der Einfluss der christlichen Religion auf die Politik riesig. In Westeuropa kann man vielleicht von einer Balance zwischen Politik und Religion sprechen.
Das Problem der Iraner ist, dass sie hin und her irren zwischen ihrem Dasein als Iraner und ihrem Muslimsein. Religion hat keine vorrangige Rolle in der iranischen Gesellschaft. Das unterscheidet den Iran von vielen anderen arabischen Staaten. Iraner haben noch andere Quellen ihrer Identität als die Religion, wenngleich es eine Konkurrenz zwischen der religiösen und nationalen Identität gibt. Unterm Strich denke ich aber, dass die nationale Identität die wichtigere im Iran ist als die religiöse.
Aber natürlich wird die Politik von der Religion manipuliert. Auf der politischen Ebene ist der Islam im Iran stark involviert, aber im iranischen Alltag spiel er keine derartige Rolle.
Verschärft Religion als die Politik beeinflussender Faktor bestehende Konflikte oder schließt der Islam die Gräben in der iranischen Gesellschaft?
Es wäre unfair, wenn ich behaupten würde, die Religion hätte im historischen Verlauf nur schlechten Einfluss ausgeübt. Religion ist nicht etwas absolut Nutzloses in meinen Augen. Aber in der iranischen Geschichte gab es auch sehr schreckliche Ereignisse, bei denen Religion oder Religiosität eine wichtige Rolle gespielt haben – insbesondere in den letzten Jahrzehnten der iranischen Geschichte.
Vom Personal ihres Romans bleibt am Ende nur Malak Bânu übrig, dement und unfähig, sich um sich selbst zu kümmern. Kann sie die Realität nur ertragen, indem sie alles vergisst?
Nun ja, zunächst einmal ist ein Aspekt ihres Zustands, dass sie in ihren eigenen Exkrementen zurücklassen wird. Sie geht in ihren eigenen Ausscheidungen unter. Der andere Aspekt ist der Druck und die Härte der Realität, mit der sie ihr Leben lang konfrontiert war und die sie komplett vergisst. Alles, was ihr am Ende bleibt, sind Erinnerungen an Liebe und Leidenschaft. Und das möchte ich sagen: Was dem Menschen am Ende bleibt, ist Liebe. Selbst wenn man sich als Aktivist 24 Stunden am Tag mit politischen Fragen befasst, hat die Liebe die tiefste und nachhaltigste Wirkung.
Amir Hassan Cheheltan: Amerikaner töten in Teheran. Aus dem Persischen übersetzt von Susanne Baghestani und Kurt Scharf. C. H. Beck 2011. 190 S. 18,95 Euro.
Hier können Sie jeweils in den Roman hineinlesen bzw. in das Hörbuch hineinhören.
Amerikaner töten in Teheran
08 September 2011Amir Hassan Cheheltan erzählt seine Geschichte des Iran. Der Hass, aus Neid geboren?
„In diesem Land ist alles möglich“, erklärt der Professor, der eigentlich nur so genannt wird, weil er ständig mit Büchern unterwegs ist, seinem Zufallsbekannten George an der Hotelbar. Der, Großneffe von Robert Imbrie, dem provisorischen Vizekonsul von Teheran, der 1924 vom Teheraner Pöbel tödlich verletzt wird, ist in den Iran gereist, um herauszufinden, warum hier immer „Amerikaner erschossen werden“. Mit dieser „Zeremonie des Hundetötens“ aus einer Zeit, zu der die Amerikaner im Iran noch gelitten waren, heben die sechs „Episoden über den Hass“ an, in denen der 1956 geborene Amir Hassan Cheheltan fast ein Jahrhundert traumatischer Geschichte des Iran erzählt.
Der doppelsinnige Titel „Amerikaner töten in Teheran“ umreißt das Programm der sich nach der Rückkehr des Schahs radikalisierenden Linken und verweist zugleich auf die amerikanischen Agenten und Militärberater, die beim Putsch gegen Mossadegh eine Schlüsselrolle spielten. Aus Furcht vor dem Einfluss der Sowjetunion sorgten sie für die Inthronisierung des Schahs und dafür, dass „die Interessen des Volkes nie zur Deckung gelangten mit denen der iranischen Regierung“.
Die losen Handlungsstränge, die Schlüsselszenen der iranischen Geschichte im 20. Jahrhundert umfassen, erschließen sich nach und nach. Im Mittelpunkt stehen der „Professor“ und George, die aus einer Zentralperspektive das Geschehen kommentieren, und die Teheraner Familie Huschmand, die über zwei Generationen im Untergrund zuerst gegen den Schah, dann gegen die Mullahs operierten. Die immer wieder aufgerufene Vorgeschichte – die Ermordung Imbries und der Staatsstreich gegen Mossadegh – liefert Erklärungen für die künftigen Ereignisse: Warum ein Land, das, vom Einfluss der Ayatollahs und der Briten bestimmt, jene Modernisierung verpasste, die das Nachbarland Türkei erfolgreich absolvierte, und sich an die Amerikaner band.
Die Rolle der USA im Iran verdeutlicht Cheheltan an Robert Imbrie und dem CIA-Agenten Kermit Roosevelt, der in die Putschaktionen der fünfziger Jahre involviert war. War Imbrie noch der interessierte Beobachter des Mythos Orient, der wider Willen in die Geschichte verwickelt wurde, gibt Roosevelt den Provokateur, der das Land im Interesse Amerikas destabilisiert. Aber auch die zaudernde Haltung der Mossadegh-Regierung und der Militärs trägt dazu bei, dass dieser Sommer 1953 zu einer Schicksalszeit für den Iran wird, die das Ende der nationalen Bewegung zur Verstaatlichung des Erdöls einläutet und eine bis heute offene Wunde schlägt. Aber nicht etwa die Militärs oder die Ayatollahs werden hierfür verantwortlich gemacht, sondern ausschließlich „die Amerikaner“, als ob mit dieser Verschiebung nach außen die Einheit nach innen gewahrt werden könnte.
Cheheltan illustriert dies in spannenden Geschichten, die um die Familie Huschmand kreisen. Resâ Huschmand ist der Typus des unbeholfenen Provinzlers, der glaubt, eine Mission erfüllen zu müssen und zum Opportunisten wird. Seine Zwillingsschwester Minâ bandelt mit einem Amerikaner an und kommt bei einem Selbstmordanschlag ums Leben. Malak Bânu, die Mutter der beiden, ist die aufrechte Revolutionärin, die schon viele Opfer gebracht hat und sich eingestehen muss, dass weder ihr Mann noch ihr Sohn des ihnen zuteil gewordenen Ruhmes würdig sind. Diese Episoden, aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt und sich weiterspinnend wie die Märchen aus 1001 Nacht, sind farbig und pointiert. Sie geben eine Vorstellung von dem, was die Menschen umtreibt: „Alle in diesem Land wollen Westler werden, sogar diejenigen, die den Westen verabscheuen. Dieser Wunsch, ihn zu vernichten, ist aus abgrundtiefem Neid erwachsen“, klärt der Professor George auf. „Sie wissen, dass grenzenloser Neid in Hass umschlägt.“ Kann man aber „den anderen das Recht zu leben, einfach absprechen?“
Diese kommentierenden Passagen gehören zu den schwächeren Teilen des Buches, nicht zuletzt, weil sie in der Übertragung des versierten Duos Susanne Baghestani und Kurt Scharf manchmal überraschend hölzern daherkommen. Für den vor zwei Jahren erschienenen Roman „Teheran, Revolutionsstraße“ ist der einst exilierte, mittlerweile wieder in Teheran lebende Cheheltan mit Lob überhäuft worden. Dass er ein Kenner der iranischen Verhältnisse und Mentalität ist und den Wechsel von eindringlichen Szenen und ironischem Kommentar beherrscht, beweist er auch mit diesem neuen Buch.
Amir Hassan Cheheltan: Amerikaner töten in Teheran. Ein Roman über den Hass in sechs Episoden. Aus dem Persischen von Susanne Baghestani und Kurt Scharf. C.H. Beck, München 2011. 189 S., 18.95 €. - Buchvorstellung am 12.9. um 20 Uhr im Haus der Berliner Festspiele. Am 11.9. um 20 Uhr tritt Cheheltan bei der Gedenkveranstaltung des Literaturfestivals zum zehnten Jahrestag von 9/11 auf.
''البلطجة''.....أجندة نظام الملالي
23 May 2011يسعى الكاتب الإيراني أمير حسن جهل تن في رواياته إلى لفت الأنظار إلى نموذج خطير في التاريخ الإيراني المعاصر يتمثَّل في استعانة السلطة بعصابات البلطجية وقتلة من العالم السفلي بغية فرض أهدافها دون مراعاة أي اعتبار. شتيفان بوخن يستعرض أعمال الكاتب الإيراني.
يقول أمير حسن جهل تن إنَّ "الأجواء مفعمة بالتغيير. ويمكن للمرء أنْ يتخيَّل الآن في الربيع، مرور غيمةٍ تُسفر عنها أمطارٌ غزيرةٌ أو عاصفةٌ رعدية". يشير الكاتب إلى سماء الربيع البرلينية، إلا أنه يعني المناخ السياسي في وطنه إيران، فالتوتُّر برأيه واضحٌ وملموس، وقد بلغت حدِّة وعمق الشِقاق بين التكتلات المتحاربة داخل النظام درجة غير مسبوقة.
يتواجد أمير حسن جهل تن ابن الستة والخمسين عامًا في زيارةٍ قصيرةٍ في برلين حيث يقدم روايته "أمريكان يقتلون في طهران" التي صدرت مؤخرًا باللغة الألمانية. كلماته تدعو للإصغاء، إذ لا تمكن مقارنة الكاتب بالشخصيات الإيرانية المعارضة البارزة في المنفى والتي ما برحت تعلن عن "التصدع الداخلي" والانهيار القريب للجمهورية الاسلامية منذ ثلاثة وثلاثين عامًا.
أمير حسن جهل تن مراقبٌ صامتٌ دون أيِّ انتماءٍ سياسيٍ وكاتبٌ تتجلَّى قصصه ودراساته أنماط الشخصية على خلفية التاريخ الإيراني على امتداد القرن العشرين وصولاً إلى وقتنا الراهن. ولأنه يعير الموثوقية التاريخية أهمية كبيرة وباعتباره شاهدًا على هذه الفترة الزمنية درس تاريخ بلده السياسي والاجتماعي بدقة متناهية مستعينًا بوثائق.
لا يستطيع أمير حسن جهل تن تحديد طبيعة التغييرات المتوقعة ولا يريد ذلك. بيد أنه يريد الإشارة إلى أنَّ الصراع السياسي بين الرئيس أحمدي نجاد وقائد الثورة خامنئي وبين أتباع كلٍّ منهما قد بلغت حدًّا غير مسبوق بالرغم من تاريخ نظام الحكم الحافل بالنزاعات، وبالتالي لا بد من وقوع انفجارٍ ما.
عودة إلى المجهول
كان قد عاد في الشتاء إلى طهران بعد قضائه سنتين ونصف في ألمانيا والولايات المتحدة الأمريكية. وقد أخَّر عودته إلى بلاده لأنه كان يخشى من أنْ تعامله السلطات معاملةً سيئة. "لم يكن هناك مشاكل" كما يقول الآن في تحفُّظٍ هادئ، "لم يكن هناك إلا اتصال هاتفي بي في منزلي من قِبَلِ مسئولٍ في وزارة الثقافة قال لي إنَّ ترخيص طباعة رواياتي السابقة لم يعُد ساري المفعول". عندها تيقنت أنه من العبث أصلًا تقديم طلبٍ للحصول على تراخيص لطباعة كتبي الجديدة، لأني لن أحصل عليها بحالٍ من الأحوال".
المقصود بـ "الكتب الجديدة" روايته الثلاثية – "طهران طريق الثورة"، "أمريكان يقتلون في طهران" و "طهران مدينة بلا سماء"، التي تخطّ فصلاً جديرًا بالاعتبار في التاريخ الأدبي الفارسي –الألماني. النصوص الأصلية الفارسية لهذه الروايات لا توجد منذ سنوات إلا على جهاز الكمبيوتر الخاص بأمير حسن جهل تن وعلى شكل نسخة مطبوعة في درج مكتبه، وذلك بسبب الرقابة في الجمهورية الإسلامية. بينما أبصرت الروايتان الأولى النور بترجمتها الألمانية وصنفتا على صفحات الصحف الثقافية باعتبارهما "أدبًا عالميًا"، وستتبعهما الرواية الثالثة في وقتٍ لاحقٍ من هذا العام.
بالتأكيد، كان بإمكان أمير حسن جهل تن أنْ يجد دار نشرٍ إيرانيةٍ في المنفى بين لوس أنجلوس وستوكهولم وبرلين تطبع له الروايات بلغتها الأصلية، لكن من شأن هذا أنْ يتناقض مع أسلوب حياته، إذ من شأنه أنْ يتحدى النظامَ بذلك بشكل علني، لأنه سوف يلتفّ على سيادة قرار جهاز الرقابة، والأهم من ذلك، أنه سوف يسهِّل على النظام أن يصِمه بالخيانة.
ينتمي الكاتب أمير حسن جهل تن مثل مقدم الموسيقى الفارسية الكلاسيكية الاستثنائي محمد رضا شجريان ومثل صانع الأفلام محمد رسولوف، ينتمي لفئة من الفنانين الإيرانيين أولي الشهرة العالمية، ممن لا يديرون ظهورهم لوطنهم مهما كلف الأمر، ولا يسمحون للسلطة أن تدفعهم لخارج البلاد أو أن تجعلهم ينفرون من وطنهم.
وهم ليسوا أطفالاً مشاكسين يبقون فقط في إيران لأن أكثر ما يرغبه النظام هو رحيلهم إلى غير رجعة. بل ترسّخت لديهم القناعة بحاجتهم إلى إلهام الوطن لكي يتمكنوا من إنتاج الفن، ولأن لديهم رسالة لمجتمع يريدون أن يكونوا جزءًا منه. ويقول أمير حسن جهل تن "إن الإنسان يفضل العيش في بلده"، وهي عبارة لا تبدو مبتذلة.
الأمة حبيسة تاريخها الخاص
يستعرض أمير حسن جهل تن في ثلاثيته مدى انحباس الأمة الإيرانية في تاريخها منذ خمسة أجيال، ومدى تأثّر الفرد بتعاقب الأنظمة الديكتاتورية وبمواجهة هذه الأنظمة المتكررة، وبالدفاع عن الذات ضد قبضة القوى العظمى وعلى رأسها الولايات المتحدة الأمريكية، ويبيِّن أيضًا فقدان المعايير الأخلاقية والقدرة على التمييز.
لا يرد ذِكر حكام الجمهورية الإسلامية في الرواية الثلاثية، إنما السجَّانين ورجال الشرطة والموظفين الصغار. "المجتمع" تحت رحمة هذا الجهاز حقًا، ولكن هذا الجهاز يستقطب عناصره من هذا المجتمع بالذات أيضًا. تظهر هذه العلاقة الجدلية لدى أمير حسن جهل تن بشكل متكرّر. يعالج الكاتب في روايته الثلاثية بشكلٍ مكثَّف يقارب الهوس شخصيات من العالم السفلي أو القريب منه، فيدخل إلى نفوس هؤلاء الأوغاد والمجرمين – يسمِّيهم "لات" بالفارسية – ويُخرج كل جوانب هذه الشخصيات إلى العلن.
يعمّ نوعٌ من الجو الفكاهي لدى التفكير بأنَّ الدراسة النفسية لشخصية السجَّان الذي يجلب عشيقته بعيدة المنال وراء القضبان، لأنه بخلاف ذلك لا يستطيع الوصول إليها. فكرة تفتقت عنها مخيلة هذا المواطن المتحفِّظ من الطبقة المتوسطة في طهران. بيد أن الكاتب الإيراني أمير حسن جهل تن يرى أهمية لفت الأنظار إلى نموذجٍ خطيرٍ في التاريخ الإيراني المعاصر يتمثّل في استخدام السلطة عصابات البلطجية وقتلة من العالم السفلي وتسخيرهم بغية فرض أهدافها دون مراعاة أي اعتبار. السجّان في سجن إيفين لديه هذه الخلفية الإجرامية تمامًا مثل الغوغاء المنظمة التي قامت بالانقلاب على رئيس الوزراء مصدّق بتكليفٍ من بعض الجنرالات الموالي للشاه ومن وكالة المخابرات المركزية الأمريكية في عام 1953.
كل هذا نجده في الثلاثية. عندما يتابع أمير حسن جهل تن الحديث عن القتلة المأجورين الذين ذبحوا رجالًا بالسكاكين أثناء "الثورة الدستورية" في مطلع القرن العشرين وسط طهران لأنهم كانوا يرتدون بدلاتٍ وربطات عنق بزعم أنهم من خلال ذلك تعرّفوا عليهم بوصفهم من أنصار التغيير السياسي المطالب بإلغاء الحكم الملكي نهائيًا، هنا يستشعر المرء أنَّ أمير حسن جهل تن سيكتب المزيد من الروايات بعد.
تحقير الإصلاحات
قصص الرواية الثلاثية من وحي الخيال، لكن من يريد معرفة ما يحدث في الجمهورية الإسلامية بالفعل، بالكاد يحصل على صورة أكثر دقة إلا من خلال مطالعة هذه الكتب. وبهذا تكون لأمير حسن جهل تن بما يخص كشف القناع عن النظام أهمية مماثلة لأهمية علاء الأسواني في مصر عهد مبارك وياسمينة خضرا إزاء الدكتاتورية العسكرية والجزائر المنهكة بسبب الحرب الأهلية في تسعينيات القرن الماضي.
تبدو معاناة أمير حسن جهل تن بسبب ما يقع بلاده، وبسبب العنف المفرط جلية. فهو يضني نفسه بالمفارقة غير القابلة للحل والمعروفة عندنا، وهي أنَّ العنف ينبثق عن أمة متحضّرة في الأساس. ربما كان لهذا السبب ضد ثورة جديدة من شأنها برأيه أن تستحضر المزيد من حلقات العنف. كما يعتقد جهل تن أيضًا أن مثل هذه الانتفاضة العنيفة ضد النظام غير محتملة لأن الأغلبية تخشى عواقبها. ويضيف "كما أن الناس يرفضون هجومًا عسكريًا من الخارج. لذا لا أرى إلا طريقًا واحدًا هو الإصلاحات"
يعرف أمير حسن جهل تن بلا شك أيضًا مدى ضعف آفاق التغيير السلمي، فقد فشلت حركة الإصلاح الإيرانية قبل ثلاث سنوات في نهجها القائم على انفتاح المجتمع التدريجي، حيث تعرضت الاحتجاجات الجماهيرية السلمية المناهضة لإعادة انتخاب أحمدي نجاد لقمعٍ وحشي، فبات مصطلح "الإصلاح" مرذول لدى الكثيرين من معارضي النظام. يقلل أمير حسن جهل تن من شأن هذا الأمر بقوله: "قادة الحركة الإصلاحية خيّبوا الآمال. لكن فكرة الإصلاح ما زالت تجد لها الكثير من المؤيدين". أنهى الكاتب جولة القراءات في ألمانيا في أواخر شهر أيار/مايو وعاد إلى إيران. ونحن نترقّب بتلهف معرفة طبيعة سيناريو التغيير الذي سيرى النور.
شتيفان بوخن
ترجمة: يوسف حجازي
مراجعة: هشام العدم
حقوق النشر: قنطرة 2012