Iranische Dämmerung (Novel)
Description
IRANISCHE DÄMMERUNG
Der Student Iradsch ist Mitglied der kommunistischen Tudeh-Partei in Teheran und flüchtet nach einem gescheiterten Attentat auf den Schah vor dem Geheimdienst in die Sowjetunion. Über der Grenze wird er jedoch von den Russen als Spion festgenommen, zu 10 Jahren Haft verurteilt und in ein sibirisches Arbeitslager geschickt. Achtundzwanzig Jahre später, nach seiner Freilassung und langen Exiljahren besucht er seine Heimat wieder. Gerade hat die Islamische Revolution begonnen. Das Wiedersehen mit seiner Frau Mihan, seiner Schwester Pari und die erste Begegnung mit seinem Sohn verlaufen allerdings enttäuschend.
Auch von Mihan, der schönen Theaterschauspielerin, die nach seiner Flucht das Theater aufgeben musste, handelt das Buch in Rückblenden, und vom Schicksal seines Vaters, eines Obersten der kaiserlichen Armee. Seinen Sohn hatte er wegen der Heirat mit der Schauspielerin verstoßen. Und die angebliche Verwicklung Iradschs in das Attentat auf den Schah zwingt ihn degradiert aus dem Dienst auszuscheiden.
Eindrücklich wird das kulturelle und politische Leben der Schahzeit im Kontrast zur Umsturzsituation des Jahres 1979 beschrieben: das einstige Theaterleben Teherans, seine Cafes der Intellektuellen, das traditionelle Leben in den Stadtvierteln spiegeln die Erwartungen des Heimkehrers Iradsch wieder.
Aber seine Versuche, in das frühere Leben und zu seiner Frau zurückzukehren, offenbaren die Entfremdung und totale Veränderung der Lebensumstände. Seine Bemühungen bleiben vergeblich. Ohne den Anschluss an Heimat und Familie gefunden zu haben, kehrt er wieder in sein Exil nach Deutschland zurück.
Im Februar 2007 wurde Iranische Dämmerung zum besten Roman des Jahres in Iran gekürt. Doch hat Cheheltan in einem Protestschreiben an die Zensurbehörde wegen der Kürzungen und Streichungen, auch der erotischen Darstellungen, diese Auszeichnung abgelehnt.
Die vorliegende Fassung ist daher nach 10 Jahren die erste vom Autor autorisierte vollständige Ausgabe.
By P. Kirchheim
Reviews
Aufräumen mit Zerrbildern
17 February 2020Mullahs, Diktatur, Atomkonflikt – auf diese Stichworte ließe sich der Iran reduzieren, bliebe man bei den Themen der Tagespresse. Wer ein Land hingegen besser verstehen will, kommt um seine Literatur nicht herum. Und die iranische Literatur ist so vielfältig wie das Land selbst. Von Gerrit Wustmann
Zweifelhafte Ehrung für Cheheltans Roman
Amir Hassan Cheheltans Roman "Iranische Dämmerung" (Deutsch von Jutta Himmelreich und Farsin Banki, Kirchheim Verlag 2015) wurde vom iranischen Kulturministerium als Buch des Jahres 2007 ausgezeichnet – allerdings erst, nachdem die Zensur Kürzungen vorgenommen hatte. Die deutsche ist bislang die einzige vollständige Ausgabe.
Als Cheheltan die zweifelhafte Ehrung ablehnen wollte, beharrte das Ministerium: Der Preis sei für das Buch, nicht für den Autor. "Iranische Dämmerung" führt vor Augen, wie komplex und kontrovers diese Revolution bis heute ist, die ein Regime hervorbrachte, das inzwischen von vier Fünfteln der Bevölkerung abgelehnt wird, wie eine Untersuchung des Parlaments vor ein paar Jahren ergab.
1979 kehrt Cheheltans Protagonist Iraj nach 28 Jahren Abwesenheit nach Teheran zurück. Er sucht die Morgenröte seines Landes nach dem Abdanken des Schah-Regimes. Doch er findet bloß eine düstere Dämmerung vor einer weiteren langen Nacht. Die friedliche Atmosphäre seiner Kindheit ist ebenso fort wie die Straßen, die er nicht mehr wiedererkennt.
Die Verbindung zu seiner Frau und seinem Vater ist gerissen und lässt sich nicht mehr kitten. Seine zerrütteten privaten Verhältnisse spiegeln die seines Landes, das von einem Alptraum in den nächsten taumelt. Es ist ein beklemmendes Panorama der Hoffnungslosigkeit, in dem die Politik so tief in das Leben der Protagonisten eindringt, dass ihre privaten Lebensentwürfe zum Scheitern verurteilt sind.
Der selektive Blick
Nun könnte man anhand dieser Beispiele denken, dass Krieg und Revolution beherrschende Themen der iranischen Gegenwartsliteratur sind, doch dem ist nicht so, wenn sie auch eine große Rolle spielen. Die thematische Engführung hat auch mit den Kriterien zu tun, nach denen deutsche Verlage Bücher zur Übersetzung auswählen.
In den letzten zwanzig Jahren betraten zahlreiche Autorinnen die Bildfläche, die sich ganz anderen Themen widmen. Die moderne Literatur Irans ist weiblich geprägt. Ob Fariba Vafi, Zoya Pirzad, Sara Salar, sie alle schreiben Bücher, die in Iran Bestseller sind.
Reading outside the box
17 February 2020Mullahs, dictatorship, nuclear conflict – Iran could be reduced to these keywords if one were to rely only on the articles in the daily press. But to really understand a country better, you have to study its literature. And Iranian literature is just as diverse as the country itself. By Gerrit Wustmann
Dubious honour for Cheheltan's novel
Amir Hassan Cheheltan's novel "Iranian Dawn" (German translation by Jutta Himmelreich and Farsin Banki, Kirchheim Verlag 2015), on the other hand, was even recognised as the Book of the Year by the Iranian Ministry of Culture in 2007 – but only after the censors excised large passages. The German edition is the only complete edition to date.
When Cheheltan tried to refuse the dubious honour, the ministry insisted that he could not refuse the award because it was for the book, not the author. "Iranian Dawn" brings home the enduring complexity and controversial nature of this revolution, which created a regime that has now been rejected by four-fifths of the population, according to a parliamentary study conducted a few years ago.
In 1979, Cheheltan's protagonist Iraj returns to Tehran after 28 years away. He is looking for his country's new dawn after the abdication of the Shah regime, but all he finds is a gloomy dusk before another long night. The peaceful atmosphere of his childhood has vanished, just like the streets, which he no longer recognises.
His relationships with his wife and father are broken beyond repair. His shattered private life reflects the condition of his country, which careens from one nightmare to the next. It is an oppressive panorama of hopelessness, in which politics pervade the lives of the protagonists so deeply that all of their personal life plans are doomed to fail.
Selective criteria
Based on these three examples, it might appear that war and revolution are dominant themes in contemporary Iranian literature, but that's not the case, although they certainly play a major role. Sometimes, however, the seemingly narrow selection of themes has more to do with the criteria according to which publishers select books for translation.
In the past twenty years, numerous authors have devoted themselves to completely different subjects. Modern Iranian literature is shaped by women. The authors Fariba Vafi, Zoya Pirzad and Sara Salar all write books that are bestsellers in Iran.
Fariba Vafi's novels, three of which have German editions so far, are delicate, linguistically sophisticated gems. Hardly any other author has so perfectly mastered the art of looking behind the scenes of everyday life in Iran.
At the core of her stories is the family and mostly young women whose wishes and dreams do not differ so much from those of their peers in the West, but who have one thing in common: their ambitions fail due to social and family expectations, economic constraints and the narrowness of the political system, which always has an impact on the private sphere.
Vafi skilfully bypasses the mechanisms of censorship by letting all critical issues smoulder just below the surface, though still impossible to overlook. This is the case with Scholeh, for example, the protagonist of her latest novel with the distinctive title "The Dream of Tibet" (German translation by Jutta Himmelreich, Sujet Verlag 2018). Her uncle Sadegh has just been released from prison, and the context and certain hints make it clear that he was imprisoned for political reasons. Sadegh just wants to get away, seeing no future for himself in Iran. Scholeh becomes increasingly withdrawn as she observes the desolate expressions on the faces all around her.
Versierte Geschichtenerzähler
25 November 2017Aber dass ausgerechnet Cheheltan die große Aufmerksamkeit erhält, hat Gründe
Iranische Morgenröte
10 July 2016Man liebt nur einmal im Leben, Iradj.
Das sagt Mihan zu ihrem Mann, als er nach 28 Jahren wieder auftaucht. Als Iradj 1979, im Jahr der Islamischen Revolution, nach Teheran zurückkehrt, sucht er die Morgenröte. Doch was er findet ist nur die Dämmerung vor einer kalten, grauen Nacht.
In seinem Roman „Iranische Dämmerung“ entfaltet Amir Hassan Cheheltan ein beklemmendes Panorama der Hoffnungslosigkeit, in dem die Politik so tief in das Leben der Protagonisten eindringt, dass ihre privaten Lebensentwürfe zum Scheitern verurteilt sind.
1951 war Iradj Mitglied der linksradikalen Tudeh-Partei und half bei einem Attentat auf den Schah. Er musste das Land verlassen, floh nach Russland. Doch dort wurde er als Spion verhaftet und in ein Arbeitslager in Sibirien geschickt. Zehn Jahre lang hielt er sich mit der Erinnerung an Mihan am Leben, doch an eine Rückkehr war nicht zu denken. Er stand weiterhin auf der Abschussliste des Regimes, blieb im Exil in Deutschland. Erst als der Schah abdankte, konnte er sich in den Flieger nach Teheran setzen. Wie so viele, die vor der Militärregierung geflüchtet waren.
Mihan, die er gegen den Willen seines Vaters, eines hochrangigen Militärs, geheiratet hatte, musste ihre Karriere als Schauspielerin und passionierte Tänzerin aufgeben und den gemeinsamen Sohn alleine großziehen. Iradjs Vater, Oberst Biraschg, wird unehrenhaft entlassen aufgrund der Taten seines Sohnes. Erst im Laufe der Jahre begreift er, was für einem System er da gedient hatte. Oberst Biraschg glaubt nicht an Liebe. Die Ehe zu seiner lange verstorbenen Frau hatten die Eltern arrangiert.
Die Einsamkeit war das Schicksal des Menschen
ist er überzeugt. Er ist alt und verbittert, hat alles verloren. Er weiß, dass der verstoßene und verlorene Sohn in der Stadt ist, aber er rechnet nicht damit, ihn zu sehen.
Man liebt nur einmal – das wird auch Iradj klar, als er durch die Straßen von Teheran streift, die so gar nichts mehr mit den Straßen seiner Jugend zu tun haben. Die Revolution ist nicht die seine. Dabei hatte er sein Leben lang auf ein Ende des Schah-Regimes gehofft. Nur um zu sehen, dass es wieder Verbrecher sind, die das Ruder übernehmen. Mihan liebt ihn noch immer. Aber beide sind bald sechzig. Ihr Leben ist gelaufen, die Zukunft ungewiss, für einen Neuanfang findet sie keinen Anlass mehr. Und Iradj folglich keinen Grund, zu bleiben.
Uns läuft die Zeit davon, und in dieser verlorenen Zeit schaffen wir uns verschiedene Sprachen, die den Abstand zwischen uns noch vergrößern
sagt er seiner Schwester Pari, die verhindern will, dass er wieder geht. Zurück ins Exil. Doch das Exil ist sein Leben geworden. Das Leben, das er sich gewünscht hatte, existiert nicht mehr.
So beeindruckend die Teheran-Trilogie und „Der Kalligraph von Isfahan“ auch sind, „Iranische Dämmerung“ ist Cheheltans Meisterwerk. Das sah auch das iranische Kulturministerium so und kürte den Roman zum Buch des Jahres 2007. Der Autor verwahrte sich vergeblich gegen die zweifelhafte Auszeichnung mit Verweis auf die zahlreichen Streichungen durch die Zensur. Die deutsche ist die erste vollständige Ausgabe des Buches.
Amir Hassan Cheheltans düsterer Revolutionsroman
10.07.2016
Hamburg
Von
Gerrit Wustmann