Eine Liebe in Kairo (ROMAN)
Description
Als der iranische Botschafter in Ägypten 1947 seinen Dienst antritt, muss er zwei Aufgaben lösen: Er soll Fausia, die Schwester des ägyptischen Königs, zur Rückkehr in den Iran bewegen, wo sie seit 1939 mit Schah Reza Pahlevi verheiratet ist. Sie ist aus der unglücklichen Ehe zurück in ihre Heimat geflohen. Und er soll dafür sorgen, dass der Leichnam des in Südafrika verstorbenen Vaters Schah Rezas in den Iran überführt wird.
Während sich der Botschafter in Kairo an die Erfüllung seiner Aufträge macht, verliebt er sich in Sakineh, die Frau eines indischen Philosophieprofessors in der ägyptischen Metropole. Kairos Atmosphäre und Stimmung, zwischen Rückständigkeit und Moderne, Bedrohung und Aufbruch in diesen Jahren fängt der neue Roman von Amir Hassan Cheheltan wunderbar ein. Und während wir über eine Liebe lesen, deren Schicksal eng mit Erfolg oder Misserfolg des Botschafters verknüpft ist, wird uns zugleich, subtil, historisch sorgfältig grundiert und in einer detailreichen Sprache, das Bild einer Epoche und Region geliefert, die bis heute unter den gleichen Spannungen leidet. Und zugleich werden die Porträts einiger starker, unverhofft mächtiger Frauen gezeichnet. Sinnlich und klug, komisch und raffiniert – der neue große Zeitroman des "Balzac Irans" (Berliner Zeitung).
Reviews
Abtrünnige Prinzessinnen
29 June 2022
Amir Hassan Cheheltan schreibt seine historischen Erzählungen aus der arabischen Welt in Ägypten fort. Mit einem erstaunlich ambivalenten Gesandten in schwüler Mission.
Über die Ehedramen des letzten Herrschers auf dem Pfauenthron, Schah Mohammed Reza Pahlavi, wurde die Generation der heutigen, sagen wir, Urgroßmütter von der westdeutschen Boulevardpresse zuverlässig auf dem Laufenden gehalten. Allerdings erst, seit Soraya Esfandiary Bakhtiary, zur Hälfte deutscher Abstammung, im Jahr 1951 seine Gattin geworden war und angeblich auch seine große Liebe. Nach tragischer Trennung wegen Kinderlosigkeit verlagerte sich das Publikumsinteresse rasch auf die erbtechnisch ergiebigere Nachfolgerin Farah Diba, aber Soraya blieb als "traurige Jetset-Prinzessin" prominent, bis sie auf dem Münchner Westfriedhof die letzte Ruhe fand.
Wer aber erinnert sich noch an ihre Vorgängerin? Fausia, die schöne Schwester des korrupten ägyptischen Königs Faruk I., war 1939 mit dem persischen Thronfolger vermählt worden, um die Verbindung zwischen den beiden Ländern zu stärken. Eine Tochter ging daraus hervor, doch auf die Produktion männlichen Nachwuchses hatte Fausia keine Lust mehr. 1945 verließ sie den Schah und kehrte nach Ägypten zurück, wo sie noch drei Jahre auf die Scheidung warten musste.
Ein wenig Boulevard im Hinterkopf steigert bei Amir Hassan Cheheltans neuem Roman "Eine Liebe in Kairo" den Lesegenuss, was durchaus im Sinne des Erfinders sein dürfte. Titel und Schauplatz markieren gewissermaßen eine Zäsur im Werk des 1956 geborenen Iraners, der nach einigen Exiljahren längst wieder in seinem Heimatland lebt, wo die meisten seiner Bücher jedoch gar nicht oder nur zensiert erscheinen dürfen. Hatte er als Romanautor bislang wichtige Stationen der iranischen Geschichte, vom frühen 18. Jahrhundert über die islamische Revolution des Jahres 1979 bis zur Gegenwart, erzählerisch dokumentiert und dabei vor allem die Hauptstadt Teheran in wechselnden Epochen facettenreich und farbstark geschildert, begibt er sich nun in die Metropole der arabischen Welt, zu einem zwar schon historischen, doch relativ gegenwartsnahen Zeitpunkt, an dem das komplizierte Verhältnis zwischen Iran und Ägypten wieder einmal eine kritische Phase durchlief.
Die verflossene Liebe: eine Verfechterin der kulturellen und spirituellen Überlegenheit des Orients
Im Herbst 1947 tritt ein iranischer Diplomat, genannt "der Botschafter", in der ägyptischen Hauptstadt seinen Dienst an, mit dringenden Aufträgen im Gepäck: Er soll die abtrünnige Fausia zur Umkehr bewegen und er soll dafür sorgen, dass der Leichnam des in Südafrika verstorbenen Schah-Vaters, der in einer Kairoer Moschee zwischengelagert ist, nach Teheran überführt wird, inklusive einiger Preziosen. Außerdem soll erreicht werden, dass Saudi-Arabien und Iran ihre diplomatischen Beziehungen nach vierjähriger Eiszeit wieder aufnehmen. Dies alles vor dem Hintergrund des sich bedrohlich zuspitzenden Palästina-Konflikts und einer nur zögerlich abflauenden Cholera-Epidemie. Doch obwohl seine Missionen, bis auf die dritte, sich schwierig bis aussichtslos gestalten, scheint der Botschafter, ein Mann von fünfzig Jahren, damit nicht ausgelastet zu sein: Zwischen Verhandlungen und Depeschen, konspirativen Treffen und eleganten Empfängen findet er noch Muße, ein erotisches Projekt zu verfolgen, dessen Ursprünge anderthalb Jahrzehnte zurückliegen.
Damals war er in Paris einer amerikanischen Sanskrit-Studentin begegnet, die ihn nicht nur durch äußere Reize, sondern auch als kämpferische Verfechterin der kulturellen und spirituellen Überlegenheit des Orients faszinierte. Der moderat verwestlichte Botschafter hatte die Gegenposition vertreten, vor allem aber bedauert, dass die "schöne Gazelle" mit einem viel älteren und sehr unansehnlichen indischen Philosophen liiert war. Das Schicksal will es, dass dieses Paar, inzwischen verheiratet, nun in Kairo residiert. Der Kontakt wird erneuert, und der Gesandte gewinnt die Gunst der Dame, die mittlerweile vierzig und Mutter einer Tochter ist, aber an Schönheit und Esprit nichts eingebüßt hat. Im Lauf der Affäre verstrickt sich der notorische Womanizer in Gefühle, die ihn zunehmend beunruhigen.
In Konversationen, Debatten und Stadtstreifzüge hat Amir Hassan Cheheltan auch hier wieder eine Fülle von Erzählungen eingebettet, die auf lockere Art Wissen vermitteln: über historische Zusammenhänge und Kontroversen, über das Verhältnis zwischen Islam und Judentum, über eine Weltregion, die an Kultur so reich ist wie an begehrten Rohstoffen und politisch ein Pulverfass. Darüber hinaus gelingt dem Autor ein literarischer Trick. Der Botschafter ist eine Figur, mit der man eigentlich nichts zu tun haben möchte: sexistisch bis zum Abwinken, rassistisch auch, von Eitelkeit gebläht bis in seinen beiläufig erwähnten "Kugelbauch", zudem mit dubiosen Qualitäten ausgestattet, die Diplomatenkarrieren in Problemstaaten begünstigen. Cheheltan lässt ein paar selbstbewusste Frauen auftreten, die ihm Paroli bieten. Ansonsten führt er seinen Helden an den Fäden ironischer Distanz durch Kairo und bringt es fertig, dass man ihm trotz allem gern folgt, auf seinen Wegen zwischen Dienststelle, Königspalast und privaten Rückzugsorten ebenso wie in seine Gedanken, Unterhaltungen und Liebeswirren hinein.
Bis man irgendwann das Gefühl hat, genau wie der Botschafter in einer Warteschleife festzuhängen, in der sich nichts Bahnbrechendes mehr ereignen wird. Dann muss der Gesandte wohl oder übel wieder das Land wechseln und der Leser das Buch. Auch wenn der absolut boulevardreife Schluss manches in der Schwebe lässt: Die Weltgeschichte jedenfalls hat danach unbeirrt ihren Fortgang genommen.

In seinem Roman „Eine Liebe in Kairo“ entwirft Amir Hassan Cheheltan ein atmosphärisches Zeitengemälde und Sittenbild des Nahen Ostens Mitte des 20. Jahrhunderts.
Amir Hassan Cheheltan, geboren 1956, gehört zu jenen persischen Schriftstellern, deren Bücher manchmal nur im Ausland erscheinen können. Eine Literatur, die an Aufklärung interessiert ist und diese auch publik machen will, erliegt oft der strengen Zensur des eigenen Landes.
Dass Cheheltan nach einem Studium der Elektrotechnik in England und einem zweijährigen Aufenthalt als Stipendiat in Italien nach Teheran zurückgekommen ist, macht deutlich, wie sehr es ihm um diese Aufklärung zu tun ist, die Christopher de Bellaigue, ein britischer Irankenner, in „Die islamische Aufklärung“ auf 540 Seiten zur Debatte stellt.
Wie literaturaffin dieser gelernte Techniker von Anfang an war, zeigt sich am deutlichsten in seinem Roman „Der Zirkel der Literaturliebhaber“ (2020). Mit seinem speziellen Wissen hinsichtlich der bewunderungswürdigen alten persischen Literatur und deren poetisierter Erotik hat er diese, seit Langem von einem Mullah-geprägten Islamismus überschattet, wieder zum Leben erweckt.
Ehefrau ist nach Hause geflüchtet
An Cheheltans Protagonisten fällt auf, dass gerade die Hauptfiguren nicht besonders sympathisch wirken, oder besser gesagt: Sie sind nicht die positiven Helden des Romans, – anhand ihrer Lebensweise und ihrem Umgang mit anderen Menschen lässt sich erkennen, woran es der Gesellschaft, in der sie leben, fehlt. Ob es sich nun um den mafiosen Gangster Kerâmat aus „Teheran, Stadt ohne Himmel“, der aus dem tristesten Arme-Leute-Elend stammt, oder um den Botschafter handelt, der sich vom Arztberuf mit viel Ehrgeiz bis in die hohe Diplomatie des persischen Hofes emporgearbeitet hat, es mangelt beiden an Empathie, und ihre Einschätzungen von Frauen ähneln sich trotz der unterschiedlichen
Auch was die Körperlichkeit angeht, beeindruckt der eine mit seinen Muskeln, der andere mit seinem guten Aussehen, das ihn angeblich für Frauen äußerst anziehend macht. Der eine ist auf Geld aus und quält seine Nutten, der andere kann den Kommunismus und noch weniger gealterte Frauen ertragen, denen er fehlende Intelligenz und Tratschsucht vorwirft. Beide leiden an Egomanie und sind auf ihre jeweilige Karriere fokussiert. Was das neue Buch „Eine Liebe in Kairo“ betrifft, so könnte man es als historischen Roman wahrnehmen, dem einige Figuren hinzuerfunden wurden. Es geht um das Jahr 1947, aus unserer Sicht um die Nachkriegszeit, während der Krieg zwischen Juden und Palästinensern immer heftiger in Gang kommt.
Der Botschafter des persischen Hofes, der sich bereits in den USA diplomatisch bewährt hat, bekommt zwei Aufgaben, die dringlich zu sein scheinen. Die eine ist, er solle Fausia, die Schwester Faruqs, des Königs von Ägypten, die seit 1939 mit dem König des Irans, Mohammed Reza, verheiratet ist und ihm eine Tochter geboren hat, zurück nach Teheran holen. Aus Gründen, die man nur als Gerüchte erfährt, ist Fausia nach Kairo geflüchtet und will sich um jeden Preis scheiden lassen. Der Botschafter versucht es damit, ihr als Mutter, die von ihrem Kind gebraucht wird und auch an die Beziehungen zwischen den beiden Ländern zu denken habe, ins Gewissen zu reden. Beim zweiten Auftrag handelt es sich um den Vater von Mohammed Reza, der in Südafrika verstorben ist, und dessen Leiche zurzeit in einer Moschee in Kairo aufbewahrt wird. Der Verstorbene soll mitsamt seinem Nachlass, der zum Staatsschatz des Iran gehört, nach Teheran zurückgebracht werden.
Der Botschafter setzt alle Hebel in Bewegung, aber nichts scheint zu funktionieren, alles wird nur hinausgeschoben. Dass der Iran in Sachen Juden und Palästinenser neutral geblieben ist, verschafft dem Botschafter nicht gerade Pluspunkte und hilft ihm auch nicht bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Was er selbst bei seinen Recherchen vorfindet, sind vor allem Korruption, Dekadenz, maßlose Verschwendung im Bereich der Königsfamilie und schwächelnde Politiker, die einander vorhalten, zu wenig dagegen zu tun. Am ärgsten scheint es König Faruq zu treiben, der die Nächte in Clubs und Kasinos verbringt, tagsüber schläft und sich nicht
einmal um seine eigenen Kinder kümmert. Noch glaubt der Botschafter, dass es für ihn kein Scheitern geben könne. Vor allem erweist er sich berufsmäßig als Verteidiger der Tradition im Sinne der Dynastie, der eine Frau zu gehorchen habe. Er selbst sieht sich in puncto Treuebruch, der sowohl Fausia als auch Mohammed Reza unterstellt wird, ganz anders und ohne das geringste Schuldbewusstsein. Schließlich ist es ihm noch immer gelungen, seine geheimen Partnerinnen glauben zu machen, dass sie ihn verlassen hätten und er bloß der gescheiterte Liebhaber sei. Aber es kommt, wie es kommen muss.
Er trifft die wunderschöne Frau, die er vor 15 Jahren in Paris kennengelernt hat, eine Amerikanerin jüdischer Abstammung, noch dazu hochgebildet, in Kairo wieder. Sakineh ist inzwischen verheiratet, hat eine vierzehnjährige Tochter, und dennoch glaubt der Botschafter mit einem Mal so etwas wie Liebe zu empfinden, nicht nur körperlich, sondern sehr viel tiefer
Royale Leiche im Gepäck
Bald aber wird ihm die Liebe zum Problem. Er fürchtet einen Skandal, der ihn womöglich seinen Beruf kostet. Fausia wird ohnehin nicht zurück nach Teheran kommen,nur das mit der royalen Leiche hat sich machen lassen, was für den Botschafter bedeutet, nach Teheran beordert und woanders eingesetzt zu werden. Es fällt ihm tatsächlich schwer aufzugeben, dennoch tut er es, um bald darauf zu erkennen, dass er diese Frau bei Weitem unterschätzt hat. Sein sich dem Ehrgeiz fügendes Verhalten zeigt ihm seine Schwäche, noch bevor er mitbekommt, was ihm alles bevorsteht. Auch wir Leser erfahren es nicht, das Ende ist offen.
Dieser Roman ist deshalb so spannend, weil er in einer Welt spielt, die sich ändern muss, gewaltig und gewaltsam, aber wie, ist den Menschen noch nicht bewusst. Es gibt zu viele Meinungen und zu wenige Taten. Die Reichen wollen reich bleiben, und die Armen haben den Mut noch nicht, heftiger zu protestieren. Die theoretische Aufklärung wird zum Teil nicht oder missverstanden, und doch ist klar, dass es so nicht weitergehen kann. Wir Leser wissen es, und wenn wir daran interessiert sind, können wir besser verstehen, warum es so kam, wie es gekommen ist. Und letztlich sind vor allem wir, nach der Lektüre dieses Buches, die Aufgeklärten
Zwei Trennungen und ein Todesfall
12 May 2022
Zwischen Diplomatie und Weltgeschehen: In seinem Roman „Eine Liebe in Kairo“ beleuchtet Amir Hassan Cheheltan die ersten Jahre nach der Thronbesteigung des Schahs und dabei auch allerlei Unliebsamkeiten.
Jeden Morgen studiert er die Zeitungen, der namenlose iranische Botschafter, 1947, in Kairo. Mitten in turbulenten Umbruchszeiten soll er zwei Aufträge fast privater Natur ausführen: Königin Fausia aus ihrem Heimatland wieder zu dem ihr vor acht Jahren angetrauten Ehemann Mohammed-Reza Pahlavi nach Teheran zurückbringen und endlich die Überführung der Leiche vom Vater des Schahs veranlassen, der vor drei Jahren in Johannesburg gestorben ist und seitdem in der ägyptischen Hauptstadt zwischengelagert ist.
Amir Hassan Cheheltan, Jahrgang 1956, ist ein feinsinniger Beobachter der Verhältnisse und Entwicklungen in Iran, das zeigen seine Beiträge auch für diese Zeitung, die zusammen mit anderen in dem Band „Teheran Kiosk“ versammelt sind. Literarisch ist er umso besser, je weniger er sich explizit mit dem Sturz des Schahs befasst. „Der Kalligraph von Isfahan“ ist daher nicht zufällig sein bester Roman, der nebenher freilich eine Menge über die Gegenwart aussagt. Cheheltans neuer Roman, „Eine Liebe in Kairo“, beleuchtet nun die ersten Jahre nach der Thronbesteigung des Schahs.
Der Europäer: ein Wilder?
Abermals nutzt Cheheltan den historischen Rahmen für einen Kommentar zu gegenwärtigen Verhältnissen. Mitunter geht er dabei nicht gerade zimperlich vor: Der Botschafter hat ein Auge auf die zum Islam konvertierte Amerikanerin Sakineh geworfen, trennt sich jedoch von ihr, sobald er mit ihr im Bett gewesen ist. Ihr Ehemann, ein indischer Philosoph, hat eine klare Position zum Westen: „Der Europäer ist ein Wilder, ein Dieb, der sich aufführt, als sei er die Krone der Schöpfung, das Beste, was das Universum zu bieten hat.“ Mitunter hat Cheheltan aber auch einen pfiffigen Dreh heraus, so wenn er dem ägyptischen Premierminister die Worte in den Mund legt: „Man hat mich wissen lassen, dass die iranische Regierung eine in Teheran vorgesehene Demonstration zugunsten der palästinensischen Araber unterbunden hat.“
Die Fragen, wie sich die einzelnen Staaten gegenüber Palästina und dem zu gründenden Israel verhalten, ob und wie sie das Judentum tolerieren, wie geeint sie ihm entgegentreten und welches Staatskleid sie für sich bevorzugen, sind zentrale Momente in diesem Roman. Etliche arabische Staaten stecken seit dem Ersten Weltkrieg noch in den Kinderschuhen, Ägypten wird in wenigen Jahren die Monarchie hinter sich lassen, während der Mufti von Jerusalem im Gespräch mit dem Botschafter im Brustton der Überzeugung festhält: „Demokratie und Parlamente sind nichts für uns.“ Und womöglich zielt Cheheltan damit keineswegs nur auf die Vergangenheit, sondern hat auch eine aktuelle Anamnese im Hinterkopf.
Mit ironischem Unterton
Das leitet über zum Problem dieses handlungsarmen und gesprächsreichen Romans. Die Übersetzung stammt abermals von Jutta Himmelreich und garantiert damit eine „reibungslose“ Lektüre. Der ironische Unterton tut ein Übriges. Der namenlose Botschafter, der von allem Weltgeschehen furchtbar gelangweilt ist, erreicht in jedem Gespräch den Punkt, wo er sagen kann: „Eine Frage hätte ich da noch“, nämlich, wie es sein Gegenüber denn nun mit Fausia halte. Der Mann ist eine gelungene Figur, wenn es gilt, jene Unverbindlichkeiten vorzuführen, die bei ihm Diplomatie und Privatleben gleichermaßen prägen. Seine Karrierelüsternheit kann fraglos als Spiegel der Machtlüsternheit einzelner Staaten gelesen werden. Vielfach wirkt Cheheltan in diesem Roman jedoch konzeptlos. Gerade weil er einzelnen Figuren deutliche Worte in den Mund legt, nimmt sich das Unentschlossene in der Dramaturgie an anderen Stellen fast als Rumeiern aus. Der Schah im Hintergrund bleibt zudem völlig blass, und kaum etwas deutet – direkt oder ex negativo – an, warum dieser Mann mit seinem Sturz zu einem zentralen Thema der iranischen Gegenwartsliteratur werden sollte.
Cheheltan hat als Schriftsteller einen schwierigen Weg gewählt. Nach längeren, auch durch Repressionen bedingten Auslandsaufenthalten lebt und arbeitet er heute in Iran. Nach wie vor setzt ihm Zensur zu. „Eine Liebe in Kairo“ handelt vor dem Hintergrund des heraufziehenden Kalten Krieges das Verhältnis von islamischer und jüdischer Welt ab. Das ist brisant und hochaktuell, allein, literarisch ist ihm das Unterfangen nicht ganz gelungen. Wer den Roman als Sachbuchschmöker liest, als Stimulans nimmt, sich mit der Zeit und den Problemen zu befassen, hat Gewinn. Wer das nicht tut, wird sich vielleicht fragen, warum Cheheltan unbedingt die Geschichte eines Botschafters erzählen wollte, der auf ganzer Linie scheitert.
Amir Hassan Cheheltan: „Eine Liebe in Kairo“. Roman. Aus dem Persischen von Jutta Himmelreich. Verlag C. H. Beck, München 2022. 380 S., geb., 25 Euro.
Verlorene Liebesmüh
10 May 2022Ein iranischer Botschafter in heikler Mission: Er soll die Ehefrau des Schahs aus Ägypten zurückholen und verliebt sich selbst in eine zum Islam konvertierte Jüdin. Im Gewand einer Amour fou entschlüsselt dieser Roman die Wurzeln des Nahost-Konflikts.
Cholera in der Stadt, ein blutiger Krieg tobt rings um das Land. Die Lage, auf die der iranische Botschafter in Ägypten trifft, als er im Oktober 1947 in dessen Hauptstadt seinen Dienst antritt, erinnert verdächtig an heute.
„Eine Liebe in Kairo“, der siebte Roman des 1956 geborenen Schriftstellers Amir Hassan Cheheltan, dessen Bücher in seiner Heimat fast alle nicht erscheinen dürfen, spielt zum ersten Mal nicht im Iran und seiner Hauptstadt Teheran.
Die heikle Mission des Botschafters: Er soll Königin Fausia, Ehefrau von Schah Reza Pahlavi, zurück in das Kaiserreich holen. Die junge, bildhübsche Monarchin ist an den Hof ihres Bruders Faruk geflüchtet, des berüchtigten ägyptischen „Playboy“-Königs, der 1965 während eines Festessens im Exil in Rom starb.
Fausia will sich unbedingt vom Schah scheiden lassen, der Botschafter soll sie umstimmen. Zugleich soll er dafür sorgen, dass die sterblichen Überreste des Vaters des Schahs nach Teheran zurück überführt werden.
Heikle Mission
Das historische Personal und der Kontext sind verbürgt, der namenlose Diplomat ist erfunden. Es entspannt sich ein monatelanges Tauziehen in Gestalt endloser, nichtssagender Audienzen, Gespräche und Intrigen.
Trotz der historischen Kulisse und versteckter politischer Botschaften ist „Eine Liebe in Kairo“ mehr als nur ein Geschichtsroman. Vielmehr lässt er sich auch als Parabel auf eine unerreichbare Einheit lesen – politisch wie persönlich.
Während seiner Mission verfolgt der Botschafter aus der sicheren Entfernung der mondänen ägyptischen Hauptstadt die Kämpfe zwischen den Paramilitärs des jüdischen Untergrunds und den Armeen der zerstrittenen Arabischen Liga beim Kampf um Palästina.
Die Ehe zwischen dem iranischen Kaiser und der ägyptischen Prinzessin will er auch deswegen retten, weil er sie als „wegweisendes Zeichen für die politische Einheit und Verständigung der muslimischen Welt“ sieht.
Diesen Strang der Geschichte parallelisiert Cheheltan mit einem intimen: So wie der Botschafter auf politische Tuchfühlung mit Ägypten geht, nähert er sich erotisch der schönen Sakineh an.
Die amerikanische Jüdin, die zum Islam übergetreten ist und mit einem ältlichen indischen Philosophen verheiratet ist, hat er 15 Jahre zuvor in Paris gelernt. In Kairo trifft er sie unerwartet wieder. Ihre nie richtig ausgesprochene Liebe erwacht.
Öffnung einer Innenwelt
Dem hart gesottenen Realpolitiker, ein polyglotter Lebemann mit Hang zu flüchtigen Liebschaften, öffnet sie plötzlich „eine Innenwelt, ein Universum, das in starkem Kontrast zu seiner Außenwelt stand“. Er sieht sich vor eine schicksalhafte Entscheidung gestellt.
„Literatur und Politik beruht immer auf zwei Säulen: Politik und Erotik“. Wohl in keinem seiner Romane hat Amir Hassan Cheheltan seine ästhetische Maxime derart in Reinkultur verfolgt wie in „Eine Liebe in Kairo“.
Mit dieser Mischung reagiert Cheheltan nicht nur auf die iranische Zensur, die genau das verbietet. Auch wenn er in seinem neuen Werk mitunter etwas zäh erzählt, beweist er, dass sich damit sogar eine metaphysische Ebene erreichen lässt.
Eine Liebe in Kairo
29 April 2022Auf dem Hintergrund des arabisch-israelischen Krieges in der zweiten Hälfte der 1940er Jahre siedelt der aus Teheran stammende Schriftsteller Amir Hassan Cheheltan seinen neuen Roman an. Der Autor, der in Großbritannien Elektrotechnik studiert hat, nahm als Soldat am Ersten Golfkrieg teil. In seinen literarischen Arbeiten verflicht er historisch-politisches Zeitgeschehen mit persönlichen Themen.
Kairo 1947. Der iranische Botschafter – er wird im Roman nur „der Botschafter“ genannt – wird mit einem schwierigen Auftrag nach Kairo beordert: Er soll Fausia, die Schwester des ägyptischen Königs Faruk, zur Rückkehr in den Iran bewegen. Sie ist aus einer unglücklichen Ehe mit dem Schah Mohammed Reza Pahlevi nach Kairo zu ihrem Bruder geflohen und nicht bereit, die Ehe weiter zu führen, geschweige denn, in den Iran zurückzukehren.
Weiters soll der Botschafter dafür sorgen, dass der Leichnam des Vaters Schah Rezas, das wertvolle Edelsteinschwert und Kronjuwelen, die der Schah seiner Gattin schenkte, zurückgegeben werden. Forderungen, die nur schwer durchzusetzen sind. Vor allem erklärt Fausia klipp und klar, dass sie nie mehr iin den Iran zurückkehren wird und sie die Scheidung will. Cheheltan schildert akribisch – zeitweise zu akribisch – die diplomatischen Versuche des Botschafters – alles vergebliche Mühe – die Scheidung ist beschlossen. Dabei flicht der Autor geschickt die damalige politische Lage aus der Sicht der arabischen Welt ein: Die Juden vertreiben die Palästinenser aus ihren Dörfern, nützen die Waffenstillstände, um Waffen zu organisieren, während die arabische Welt tatenlos zusieht. Faruks ausschweifendes Privatleben und die Ignoranz der Hofschranzen, die sich gegenseitig aus der Gunst des Königs herausintrigieren, machen die Bemühungen des Botschafters zunichte. Der Autor leuchtet mit einer großen Lupe in diese schwierige Zeit: die Engländer hinterließen ein politisches Desaster, die Juden verdrängen die Palästinenser und der ägyptische Staat wird von einem Lebemann regiert, der sich nicht um das, Volk und die politische Lage schert. Man wäre versucht, über die vielen Gespräche, die der Botschafter in monotoner Erfolglosigkeit führt, hinwegzulesen, aber ist dann doch von dem historischen Detailwissen des Autors fasziniert. Um dem politischen Trend des Buches einen Romananstrich zu geben, fügt der Autor eine Liebesgeschichte ein: Der Botschafter, ein ziemlicher Frauenheld, verliebt sich in die schöne Sakineh. Sie ist mit einem Langeweiler von einem Mann verheiratet. Bald fragt sich der Botschafter, ob es vielleicht Liebe sei, das ihn an diese Frau bindet. Bindungsängste steigen auf, er zögert, bis Sakineh ihm zu seiner Erleichterung die Entscheidung abnimmt. Er wird in den Iran zurückbeordert und bucht nur ein Flugticket.Mit dieser Liebesgeschichte hält der Autor sehr geschickt das Interesse des Lesers wach, das vielleicht bei den oft ermüdenden diplomatischen Gesprächen erlahmen könnte.
Leser, die mehr über das Entstehen und die Ursachen des Palästinenserkonfliktes, die Rolle des ägyptischen Staates dabei erfahren wollen, werden dieses Buch mit großem Interesse lesen.
brisant und hochaktuell
17 March 2022"brisant und hochaktuell"
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Christian Pöhlmann
"Im Gewand einer Amour fou entschlüsselt dieser Roman die Wurzeln des Nahost-Konflikts"
Deutschlandfunk, Ingo Arend
"Liebe, Erotik und Politik - das sind für den Perser Amir Hassan Cheheltan seit jeher die Ingredienzien eines guten Romans"
Bayerischer Rundfunk, Gabriele Knetsch
"Letztlich sind vor allem wir, nach der Lektüre dieses Buches, die Aufgeklärten."
Die Presse, Barbara Frischmuth
"Weltliteratur, bevor es überhaupt etwas anderes war."
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Stefan Weidner